Die Drehtüre ist eng, sogar mit einem kleinen Gepäck kommt man nicht durch. Hochsicherheitstrakt? Es gibt ja noch eine Türe. Kaum hat man die Schwelle überschritten, wird man in schwarze Tinte getaucht. Alles ist schwarz, keine Farbe, keine Bilder. Der Boden ist schwarz, die Fauteuils sind schwarz, schwarz ist die Treppe zur Bar, schwarz ist der Tresen. Wir befinden uns im Empfang des Hotels „The Hotel“ in Luzern.
Ein schwarzer Empfangsdesk. Dahinter eine freundliche Dame, ganz in Schwarz, schwarze Haare, bleiches Gesicht. Die Einschreibeformalitäten sind im Nu erledigt. Der Hoteldiener, schwarz von Kopf bis Fuss, kümmert sich um unser Gepäck. Man begleitet uns ins Zimmer, Nummer fünftausendeinhundertundvier. Sind wir in New York? Einundfünftigste Etage? Wohl kaum, THE HOTEL hat ja nur 25 Zimmer. Der Code erläutert alles. Es handelt sich um das fünfte Hotel von Herrn Karli, Zimmer Nummer 4 im ersten Stock! Ich notiere mir 5104 zur Sicherheit, damit ich wieder heimfinde. Wer kann schon eine vierstellige Zahl im Kopfe behalten?
Das Zimmer, wow, Architektur pur. Alles auf einander abgestimmt, alles Ton in Ton, schwarz, weiss, stahlgrau. Lauter Spezialanfertigungen, der Sessel, das Bett, der Schrank die Beleuchtungskörper. Völlig klar, hier hatte ein Profi, eben Jean Nouvel, die Hand im Spiel. „In der oberen Schublade des Pultes befindet sich die Gebrauchsanweisung für die Lichtschalter“, sagt die Hoteldiener und empfiehlt sich. Warum Bedienungsanleitung? Die Nacht wird es uns lernen. Zuerst getraue ich mich nicht, auf den konvexen Sessel zu setzen. Auch wenn er nicht zum Ausruhen einlädt, man fällt nicht herunter. Alles nur Design.
Wir kommen von der KKL Late night nach Hause zurück. Ein freundlicher Nachtportier (sogar seine Tabakpfeife ist schwarz) wünscht eine gute Nacht. Dort wo im Zimmer normalerweise der Lichtschalter ist, befindet sich das Bedienungstableau für die Klimaanlage. Das Nachttischchen leuchtet rot in seiner Gesamtheit. Dort befinden sich weitere Bedienungselemente. Ein Knopfdruck, ein leises Surren, die Store bewegt sich. Immer noch kein Licht. An der Wand, beim Fenster wieder Knöpfe, wieder surren, das Fenster öffnet sich. Die Bemerkung wegen der Bedienungsanleitung hatte durchaus ihren Sinn. Aber wer liest schon eine Bedienungsanleitung und erst noch im Dunkeln! Ist das kompliziert! Ich will Licht machen, nicht einen Computer programmieren.
Die Hilfe kommt aus dem Badezimmer, dort brennt eine Lampe. Wunderschöner Design, das Bad. Originelles Waschbecken, Spezialarmaturen und eine klare Linienführung der Dusche. Auch hier ist alles aussergewöhnlich und topmodern entworfen. Nur schade, dass man die Dusche nicht, wie jede gewöhnliche Dusche, wenn sie läuft, in die Halterung fixieren kann. Das heisst, man kann schon, nur geht gleichzeitig ein sanfter Monsunregen im ganzen Badezimmer, inklusive WC, nieder. Hat Nouvel je in einem Hotel übernachtet ? Endlich im Bett. Irgendwie – fragen sie nicht wie – ist es mir gelungen die Beleuchtung für die Nacht zu regeln. Das Nachttischchen leuchtet weiterhin rot vor sich hin. Da fällt mein Blick auf das Deckengemälde. Ein Matador in Mitten Lustgekeuche. Das passt zwar zur Beleuchtung, ist aber trotzdem eher deplaziert.
Das Frühstückszimmer, der Esssaal, ist rabenschwarz. „Wo ist das Frühstücksbüffet?“ „Wir bringen Ihnen alles an den Tisch.“ antworten zwei sehr liebenswürdige Bedienerinnen, natürlich ganz in schwarz. Und ob sie bringen. Bichermüesli, ich mag das nicht, Yoghurt in zwei verschiedenen Formen. Ich kann dieses viskose Milchprodukt nicht ausstehen. Kaffee, Tee, kalte Milch, warme Milch, drei Sorten Käse, Bündnerfleisch, Konfitüre und jede Menge Brot. Alle diese Lebensmittel – niemand hatte sie bestellt – türmen sich vor meinem Auge und verschlagen mir den Appetit.
Wenn sich etwas in der modernen Gastronomie bewährt hat, dann das Frühstücksbüffet. Jener Ort der Versuchung, wo man noch schlaftrunken die paar Häppchen zum persönlichen Frühstück zusammenstellen kann. Etwas wonach gerade das Herz begehrt.
Die Bedienung gab sich so Mühe uns mit modernstem Geschirr – beim Kaffeeeinschenken fiel der Deckel in die Tasse (weiss man doch, immer zuerst den Deckel weg, dann giessen) – und mit den feinsten Gerichten zu verwöhnen. Doch wir stehen auf. Das schlechteste Gewissen der Welt begleitet uns. Wir haben mindestens 30 Teile Geschirr und Besteck gebraucht und schnäderfrässig dreiviertel der Speisen liegen gelassen.
„Die Rechnung bitte.“ 370 CHF ist nicht gerade billig, aber verständlich. Der aussergewöhnliche Design, die Spezialanfertigungen und Jean Nouvel fordern ihren Preis. Nur, für den selben Betrag hätten wir im Palace einen farbenfrohen Empfang, ein grosszügiges Zimmer, mit bequemen Sesseln in denen man sich zu sitzen getraut, ein Fenster, das man von Hand öffnen kann, einen Balkon, eine wunderschöne Sicht auf den Vierwaldstättersee und die Alpen, ganz zu schweigen von einem geräumigen Bad und einer Dusche mit welcher der Gast und nicht das Badezimmer, nass wird.
Aber eben, der Architekt soll nicht die Wünsche des Gastes erfüllen, dieser hat den Star zu bewundern. Nur der Designer allein weiss, was dem Gaste zu gefallen hat. Er ist der Designer.
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kann das bestätigen. Das gibt es manchmal auch beim Webdesign, grafisch genial gemacht, aber der Leser findet nicht was er will. Man spricht auch von Accessibility; der Leser soll die Schriftgrösse so einstellen können, WIE ER will. Da lobe ich mir das einfache Design von Twenty Ten.