Sind sie misstrauisch, wenn Sie das Wort Nachhaltigkeit hören!
Wenn jemanden eine Idee suspekt ist, wenn jemanden mit einer Aussage nicht einverstanden ist, kommt oft die Frage: „Ist das nachhaltig?“ Eine echte Killerphrase. Eine Killerphrase, die jede unangenehme Auswirkung eines Themas im Keim erstickt.
Nachhaltigkeit! Sie hat sich in allen Lebensbereiche eingenistet. Es gibt heute nichts, was nicht nachhaltig ist.
Zähne werden nachhaltig gereinigt geputzt.
Geld wird nachhaltig angelegt.
Politiker haben nachhaltige Ziele.
Es wird eine nachhaltige Verbindung fürs Leben geschlossen.
Wir kümmern uns um ein nachhaltiges Kulturerbe.
Was ist den eigentlich Nachhaltigkeit?
Ich erinnre mich wie, an der ersten Klimarahmenkonvention in Rio de Janeiro, das Wort „Sustainability“ in den Mund genommen worden ist. Es ging relativ lange, bis es in deutschen Kommentaren als Einzug hielt. Von da an aber nachhaltig!
Von Nachhaltigkeit zu sprechen ist dann vernünftig, wenn es im Sinne der Forstwirtschaft gebraucht wird. Im 17. Jahrhundert ging – wegen Übernutzung – das Gespenst der Holznot um. Der frühindustriellen Überholzung des Waldes musste Einhalt geboten werden. So viel Schlagen als Nachwachsen kann. Ein ehrliches Unterfangen, welches etwas Wesentliches trifft.
Heute ist der Begriff Nachhaltigkeit mit einem völlig anderen Inhalt versehen. Inflationär wird er überall falsch angewendet, missbraucht. Laut einer Zählung von Google hat sich das Wort seit 1990 verzwanzigfacht! Missbraucht um Ungewissheiten aufzuzeigen. Um Menschen mit Verlustängsten zu beruhigen. Verständlich, wenn immer dann davon gesprochen wird, wenn man nicht mehr weiter weiss. Die Zukunft hat viel Unsicheres, viel Fragliches. Hier wird Nachhaltigkeit zum Trostpflaster. Das ist bequem. Man bleibt bei Worthülsen hängen welche nichts mit der Realität des Lebens zu tun haben. Des Lebens unserer Gesellschaft.
Die ursprüngliche Idee der Nachhaltigkeit ist gut. Ihre heutige Verwendung ist absurd, abstrus: Unsinn!
Die an sich wundervolle Idee widerspricht der Logik der Dynamik des gesellschaftlichen Systems.
Eigentlich sollte die Politik sich hier einschalten. Die Politik, welche das soziale Handeln von Menschen regeln sollte. Sie hat ja die Aufgabe für das Wohlergehen der Gesellschaft zu sorgen. Die Politik ist unfähig sich mit langfristigen Projekte auseinanderzusetzen. Sie ist auf kurzfristigen Wählerfang ausgerichtet. Nachhaltigkeit ruft nach mühsame, Jahrzehnte lange Projekte. Die Politik und die Gesellschaft hingegen haben einen kurzen Planungshorizont. Das beisst sich. Seien Sie immer argwöhnisch, wenn Sie dem Wort „nachhaltig“ begegnen. Meistens dient es als Deckmantel für die Unfähigkeit eine Entscheidung zu treffen.
Im Klartext; sehr oft steht nachhaltig für: “Dafür haben wir keine Lösung!“ Das Wort ist zu einem gedankenlos mutiertes Modewort geworden.
Bleiben Sie skeptisch, wenn das Wort nachhaltig die Diskussion beherrscht.
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Mein lieber Freund,
Dein wie immer erwartete und pünktlich erschienene Aufsatz veranlasst mich, für das von Dir so vehement kritisierte Wort eine Lanze zu brechen. Meine erste Reaktion, welche Dich nicht überraschen wird, bestand im Konsultieren meines treuen Dictionnaire Harrap’s. Dieser übersetzt es mit „durable, persistant, constant, permanent“, genau wie es in meinem armen Gedächtnis gespeichert ist. Als zweite Reaktion habe ich mich gefragt was das harmlose Wort meinem besten Freund angetan hat um eine so angriffige Kritik zu verdienen. Deine Beispiele von „Zähne putzen“ bis „Kulturerbe“ scheinen mir durchaus logisch und zutreffend. Du wirst mir das einmal ganz unter uns anvertrauen, he?
Deine Forderung, die Verwendung des Worts ausschliesslich auf die Forstwirtschaft zu beschränken, scheint mir „absurd, abstrus: Unsinn!“, um Dich zu zitieren. Sogar die Politik willst Du einschalten…
Mir liegt ein anderes Sprachproblem am Herzen: die Verarmung des deutschen Wortschatzes zu Gunsten von englischen Ausdrücken. Ein Beispiel sehe ich im Titel des schönen, gepflegt gebundenen Buches das Du mir geschenkt hast: „Albert Anker reloaded“! Die Autoren haben offenbar kein deutsches Wort gefunden. Unter diesem Aspekt scheint mir das Eliminieren eines deutschen Ausdrucks wie „nachhaltig“ nicht angebracht.
Wie Du siehst, werden Deine Artikel aufmerksam gelesen!
Auf bald, hoffentlich
Hans