«Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, so ändert das Wetter oder bleibt, wie es ist. »
«Regnet es am Barnabas, so werden alle Dächer nass. »
Mit solchen Verballhornungen haben wir als Kanti-Schüler uns über die Bauernregeln mokiert. Das war damals, ein paar Jahre nach Kriegsende, in den fünfziger Jahren. Es herrschte in Europa eine Aufbruch- und Aufbaustimmung. Die zerbombten Städte mussten aufgebaut werden. Wen wundert’s, dass wir Stadtkinder uns über die abergläubischen Reime der Bauern auf dem Lande lustig machten?
Alles nur Aberglaube oder gibt es doch einen metrologischen Zusammenhang?
«Märzenschnee tut Zarten weh! «
Das stimmt doch. Feine Blüten vertragen die Kälte nicht und verwelken. Denken wir an das Wetter vor einem Monat.
«April tut was er will. «
Auch nicht von der Hand zu weisen.Die schweizerische Depeschenagentur lieferte uns, als wir noch Halbwüchsige waren, täglich am Radio, kurz nach halb eins mittags, eine Wetterprognose. Sie war ziemlich treffsicher, man konnte sich durchaus darauf verlassen. Allerdings lange nicht so präzise wie heute. Können wir doch mit hoher Präzision, für jede grössere Stadt des Landes, eine auf Stunden genau Wetterlage auf dem Handy abrufen. Wesentlich genauer als damals aus dem Radio. Fernsehen gab es noch nicht. Trotzdem die Vorhersagen waren sicher viel treffsicherer, als wenn die Luzerner sagten
«Hat der Pilatus einen Hut, so wird das Wetter gut. Hat er einen Degen, dann gibt’s sicher Regen! »
Heute denke ich nicht mehr so hochnäsig über die gereimten Wetterregeln der Landwirte. Bauernregeln gab es schon in der Antike. Sie wurden von einer Generation zur Nächsten weitergegeben. Die kleinen Gedichtchen wie
«Bringt der Juli heisse Glut, so gerät der September sicher gut»
liessen sich gut memorieren.
Im Mittelalter konnten die wenigsten Menschen schreiben und lesen. Also mussten die Beobachtungen des Wetters, Sonne, Regen, Nebel, Schnee, Eisblumen am Fenster oder Abendrot, im Gedächtnis mit der zu erwartenden Wetterlage gespeichert werden. Der Reim war die ideale Gedächtnisstütze.
Reime, wie standardisierte Gebete, eigneten sich besonders gut, im Gedächtnis verankert zu sein.
«Abendrot Gutwetterbot. »
»Morgenrot mit Regen droht. »
»Geht die Sonne feurig auf, folgen Wind und Regen drauf. »
«Donnert’s im September noch, wird der Schnee um Weihnacht hoch. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Treffsicherheit solcher Beobachtungen miserabel war. Miserabel mit unseren heutigen Massstäben gemessen, wo überall grosse Präzision und exakte Pünktlichkeit gefragt ist. Was heisst schon Präzision? Für uns ist das 1/1000 Millimeter für eine Drehbank. 1/100 Sekunde für eine Stoppuhr. Für den Bauer im Mittelalter war eine Toleranz von zwei Zentimeter (ein halber Finger) bei der Herstellung von Brennholz, schon sehr genau. So war in diesen Zeiten eine Windbö, die am übernächsten Tag eintraf eine präzise Wettervorhersage.
«Wenn im Juni der Nordwind weht, das Korn zur Ernte trefflich steht. »
Das Wetter spielte damals in Landbau und Viehzucht mindestens eine so wichtige Rolle wie heute. Nur war die Art damit umzugehen anders. Die Leute haben das Wetter sehr genau beobachtet. Dabei fielen gewisse Regelmässigkeiten auf. Regelmässigkeiten in den Wetterabläufen. Regelmässigkeiten in der Entwicklung von Obst und Getreide. Die berühmtesten unter ihnen sind wohl die Eisheiligen. Jedem Stadtmensch ist sogar bekannt, erst nach dem 15. Mai, der «kalten Sophie», die Geranien zu pflanzen.
«Vor Nachtfrost Du nicht sicher bist, bis Sophie vorüber ist. »
Von andern Berühmtheiten wie Siebenschläfertag, Hundstage, Schafkälte oder gar Altweibersommer haben alle schon gehört. Hier sei nur ein Beispiel herausgegriffen, weil es statistisch die hohe Eintreffwahrscheinlichkeit von 89% hat.
Die Schafskälte, Mitte Juni. So genannt, weil die Schafe dann frisch geschoren waren und unter der eingebrochenen Kälte echt zu leiden hatten. Um den 11. Juni treffen oft empfindlich kühle, wechselhafte und regenreiche Tage ein. Es wird kalt nach der warmen Witterungsperiode von Ende Mai. Das regelmässige Eintreffen dieser Wetterlage wird von den Klimatologen trefflich nachgewiesen. Eine Tatsache, die es nicht erlaubt, die Bauernregeln als reinen Aberglauben abzutun.
So besassen die Landwirte ein ganzes Netzwerk von Beobachtungen,
- Den Flug der Vögel.
- Der Geruch im Stall.
- Was machen die Bienen? «Entfernen sich die Bienen nicht weit von der Beute, erwarten Schlechtwetter Land und Leute. »,
- Der Hof um den Mond.
- Donner bei kaltem Regenwetter.
- Wie steigt der Rauch aus dem Kamin?
- Glatteis,
- Regenbogen,
- Reif nach Regenü und gar rheumatische Schmerzen.
Aus all diesen kleinen Puzzleteilchen setzte man auf dem Lande die Wetterprognose zusammen. Die Bauernregeln waren nur ein Steinchen in diesem Mosaik des Naturwissens der Bauern. Sie gaben die Grundlage wie die Arbeiten im Stall und auf dem Feld gestaltet werden müssen. Ziel war immer einen möglichst guten Ertrag zu haben, um im Winter keinen Hunger zu leiden.
Mit ihrem Wissen konnten sie überleben. Mit ihrem Wissen meistern sie den Alltag. Schützten sich gegen Kälte und Hitze. Überwanden Missernten und die Folgen von Naturkatastrophen wie Hochwasser, Erdrutschen und Lawinen. Damit haben sie, als unsere Vorfahren, den Grundstein und das Fundament für unser schönes Leben von heute gelegt.
Und wir? Technisch sind unsere Kenntnisse des Wetters und seine Vorhersagen besser. Sie entsprechen unserem heutigen Stand der Technik. Meistern wir damit unseren Alltag besser? Hinsichtlich der körperlichen Mühsal haben wir es angenehmer. Dafür plagen uns andere Geister. Die täglichen schlechten Nachrichten aus den Medien. Die Angst unser Besitz könnte sich schmälern. Die Nachteile eines langen Lebens.
Vergleichen wir unser heutiges Wohlstandsleben mit jenem der Landsleute von vor 200 Jahren, mit ihren ungenauen Wetterprognosen und stellen wir uns die Frage »Sind wir besser dran? », vor allem » Sind wir glücklicher? ». Schwer zu sagen.
Am Ende ist jede Generation, jeder Mensch, doch nur seines eigenen Glückes Schmied.
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