Die Feiertage sind vorbei. Ich sitze in meiner Bastelwerkstatt mit einem modernen Nachttischlämpchen vor mir. Es hat den Geist aufgegeben. Wie es so ist, nach der Vielfalt der Festtagsereignisse besteht ein echtes Bedürfnis nach Musse. Nach einer terminlosen Zeit ohne Erledigungsdruck. Kleine Instandstellungsarbeiten können jetzt ohne Stress in Angriff genommen werden. Funktionsuntüchtige Beleuchtungskörper waren für mich immer schon Gegenstand von Instandsetzung ohne fremde Hilfe. Die Welt war, als die Kinder noch klein waren, dafür besonders gut eingerichtet. Auch damals gab die Nachttischbeleuchtung gelegentlich den Geist auf. Nicht nur war die Glühbirne durchgebrannt. Defekte Kontakte, kaputte Schalter oder wacklige Stecker waren zu ersetzten. In der EPA, dieses Warenhaus gibt es schon lange nicht mehr, gab es eine grosse Verkaufsfläche für elektrisches Installationsmaterial. Jeder Erdenbürger, der nicht gerade zwei linke Hände hatte, konnte mit dem angebotenen Material nahezu alle elektrische Gerätschaften wieder zum Laufen bringen.
War dann das Nachtlichtchen der Tochter wieder intakt, gab es nur glückliche Familienangehörige. Die Tochter, weil sie wieder im Bette ihre Bücher lesen konnte. Der Vater, weil es ihm gelungen war, mit seiner eigenen Hände Werk das Malheur zu beheben und die Mutter, weil sich der Seelenfriede in der Gemeinschaft wieder eingestellt hatte.
Meistens begann ein solcher Prozess mit der Feststellung: »Papi, meine Lampe ist kaputt!« Im Gegensatz wie wir heute denken, war damals die Lampe nicht hoffnungslos kaputt. Nicht zerstört und auch nicht am Ende ihres Lebens. Die Lampe funktionierte nur nicht mehr. Vom Vater, die Autorität Kaputtes wieder in Stand zu stellen, wurde erwartetet, dass er die Lampe reparieren würde. Kaputt war so etwas wie krank, auf Heilung wartend. Als die Kinder noch sehr klein waren und noch nicht einmal richtig sprechen und reden konnten, war bei ihnen schon eines klar: wenn etwas kaputt war, konnte Papi es flicken. In der damaligen Kindersprache hiess das: »Papi bicks!« Papi flickts! Papi kann das flicken. In der Regel lag dann eine Spielzeugente aus Holz auf meinem Schreibtisch. Sie hatte nur noch drei Räder. Ein Rad fehlte. Sie konnte nicht mehr an einer Schnur gezogen, durch die Stube watscheln. Als das vierte Rad im Spielzimmer gefunden war, war auch der Schaden schnell behoben. Bei der Gelegenheit wurde auch noch die Schnur ersetzt. Die Ente war nicht nur repariert, sie war geheilt. Es war bei uns bald Allgemeinwissen, dass Dinge kaputtgehen konnten. So auch der Küchenmixer, der Plattenspieler, der Haarföhn, alles ging ab und zu kaputt. Später kam das Fahrrad dazu. Was für eine Quelle der möglichen Instandstellungen. Die Beleuchtung, der Pneudruck, das Schutzblech und vor allem die Kette, die schwarz und fett immer wieder für Ärgernis sorgte. Alle diese Defekte wurden mit dem Sammelbegriff »kaputt« in den Wortschatz aufgenommen. Damit hatte das Wort kaputt eine, weit über die banale Bedeutung den Dienst aufgegeben zu haben, höhere Bedeutung erlangt. Der Gegenstand war ausser Gefecht. Er musste bloss repariert werden. Papi bicks!
Ich sitze immer noch da mit der kaputten, modernen Nachttischlampe auf dem Schoss. Mir dämmert, dass heute der Begriff »kaputt« den Übergang zur Erneuerung nicht mehr beinhaltetet. Diese meine Lampe war quasi aus einem Stück produziert und verschweisst. Weder ich, noch ein Spezialist waren in der Lage die Heilung durch Reparatur herbeizuführen. Diese Lampe ist echt kaputt, unheilbar tot. Es gibt nur noch Wegwerfen und eine Neue kaufen.
Irgendwie sind wir und vor allem unsere Kinder, erfahrungsärmer geworden. Es gilt nur noch alles oder nichts. Das Behagen selber etwas wieder hergestellt zu haben ist dahin. Mir blieb nichts anderes übrig. Ich habe eine neue Lampe gekauft.
Auf dem Heimweg kam ich an einem Flohmarkt vorbei. Dort habe ich mir einen alten Wecker gekauft. Ein Wecker mit zwei grossen Glocken, welche, wenn sie losgehen, das ganze Haus aufschrecken. Das Läutwerk funktionierte nicht mehr. Zu Hause, voller Wonne, habe ich die Uhr auseinandergenommen. Das Zahnradwerk geputzt und die Glocke geflickt. Welch eine Beglückung! Dankbar tickt sie jetzt auf meinem Schreibtisch. Papi bicks!
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PS: Dieser Monat ist Blue Moon am 31. (siehe auch meine Kolumne vom 22. Oktober 2016).
Der nächste Blue Moon ist schon am 31. März 2018
Blue Moon („Blauer Mond“) ist im englischen Sprachraum landläufig die Bezeichnung für einen zweiten Vollmond innerhalb eines Monats. In der Umgangssprache meint man mit dem Spruch Once in a blue moon entsprechend etwas sehr Seltenes.
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