Dreizehn

22Im ersten Monat im Neuen Jahr gab es einen «Freitag, den 13.». Viele Menschen sind besorgt, es könnte an einem solchen Tag ein grösseres Desaster geben. Alles Aberglaube! 300 Jahre nach der Aufklärung, der Epoche der Vernunft, im Zeitalter der künstlichen Intelligenz, weiss doch jedermann, dieser Hokuspokus ist definitiv vorbei. Dreizehn ist keine Unglückszahl. Das Leben bewegt sich in realistischen Bahnen.

Warum gibt es heute noch in keinem Hotel ein Zimmer Nummer 13? Warum gibt es in Kinosälen keine Reihe 13? Und schon gar nicht einen Sitzplatz Nr. 13? Wie ist das mit der schwarzen Katze, die unseren Weg von links kommend quert? Und mit dem Rabenvogel, der auf dem Kamin sitzt und Unheil ins Haus bringt? Klopfen Sie ruhig zwischendurch drei Mal auf Holz, damit nichts Böses passiert. Geben Sie dem Kaminfeger die Hand, das bringt Glück. Ebenso das Bierglas, welches beim Abwaschen aus den Händen rutscht und in Scherben geht. Bei der Spinne ist es nicht so eindeutig. Begegnet man ihr am Morgen, bringt sie Sorgen. Kommt sie am Mittag vorbei, gibt es Glück am dritten Tag. Nicht unter einer Leiter durchgehen ist noch verständlich. Es könnte tatsächlich passieren, dass der Dachdecker ein paar Ziegel fallen lässt.
Man kann nie wissen. So ganz genau weiss man dann doch nicht, ob etwas dran ist am Aberglauben. Vielleicht gibt es übernatürliche Kräfte, die ihre Wirksamkeit zeigen.

In meiner Jugendzeit in Leuk begleiteten mich solche Vorkommnisse auf Schritt und Tritt. Besonders bedrohlich war ein geborstener Spiegel. Wer dort hineinblickte, dem drohte der Tod. Aberglaube war im Tagesablauf solide eingebaut. Er war ein Teil des Geschehens. Kaum ein Tag verging, an dem man nicht mit seinen Riten, seinen Symbolen und seinen Bräuchen in Berührung kam.

Diese Magie ging auch nicht an mir vorbei. Dem 13. Lebensjahr sah ich mit Sorge und Furcht entgegen. Ich hielt es für möglich, dass ich es nicht überleben würde. Heute, 77 Jahre später, schreibe ich eben diese Kolumne. Die Sorge war deutlich vergebens.

 

Im 21. Jahrhundert angekommen, glaube ich zu wissen, der Aberglaube ist so alt wie die Menschheit. Der Glaube an Glück und Kummer, angezeigt durch Denkmuster wie Glücksymbole (Hufeisen und Kleeblätter) und Spruchformeln sind Teil unserer Kultur. So wird der Aberglaube in unserem modernen Leben weiter bestehen. Goethe nannte es die Poesie des Lebens.
Wissenschaftlich haben diese Vorgänge keinen Bestand. Sogar am Freitag dem 13. konnte keine Häufung von Unbill festgestellt werden. «Klar», sagt unser rationaler Verstand, «das muss so sein“. Und doch findet in allen Kulturen der Aberglaube im Leben und Handeln der Menschen statt. Zwischen Himmel und Erde gibt es Dinge, von denen wir nicht wissen wie, wann und warum sie wirken. Genau so gibt es das im täglichen Ablauf. Ein Teller fällt, von der Schwerkraft angezogen, zu Boden und zerspringt in tausend Scherben. Die Gravitation begleitet uns, wo immer wir sind, was immer wir tun, trotzdem wissen wir nicht, was Schwerkraft ist. Eine Sicherung gibt im elektrischen Schaltbrett den Geist auf. Kein Strom mehr in der Lampe, totale Dunkelheit. Was ist eigentlich Elektrizität? Wir wissen es nicht.

An einer anderen Stelle haben Sie schon von mir gelesen, wie schön ich es finde, dass es Vorgänge gibt, die unser Leben verschönern, Elektrizität und die Schwerkraft als Beispiel, ohne dass wir wissen, warum.

Im Oktober dieses Jahres gibt es wieder einen Dreizehnten, der auf einen Freitag fällt. Leben Sie wohl. Toi-toi-toi!

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2 Gedanken zu „Dreizehn“

  1. Lieber Hans
    Vielen Dank für diesen weisen und doch lustigen Blog. Unser Leben wäre so viel ärmer ohne Deine
    Blogs. Apropos 13- Hans und ich haben uns an einem 13. Februar vor 63 Jahren kennengelernt, haben
    ein Jahr später – aber nicht an einem 13. geheiratet und sind immer noch zusammen! Wir haben
    diese Zahl immer als gutes Omen betrachtet. Meine ungarische Heimat ist voller Aberglauben. Meine
    Mutter erlaubte nicht, dass man schon am Abend für den nächsten Morgen den Tisch deckt. Jemand
    könnte sterben und da wäre es ein Gedeck zu viel. Als junges Mädchen musste man bei Tisch vermeiden, dass man auf der Höhe eines Tischbeins zu sitzen kam, denn das bedeutete , dass man
    für unbekannte Zeit ledig blieb. Alles Liebe und tausend Dank für die Blogs, Ági und Hans

  2. Lieber Hans
    Zu unserem Glück haben wir, Rosemarie und ich, an einem 13. August 1966, zwar Samstag, geheiratet. War wirklich gut!
    Nummerologisch gibt das eine Quersumme von 34 und dann in der weiteren Quersumme 7, was damit ganz klar das Glück erklärt!
    „schwarze Katz von rechts nach links, Glück bringts – schwarze Katz von links nach rechts auch nix schlechts“
    So bleibt das Glas immer halb-voll!
    In meiner Familie kannten wir, so meine Erinnerung, keinen Aberglauben. Es hat der strenge katholische Glaube gereicht.
    Später, so im Gymi, wurde ich mit allem Möglichen an Aberglauben konfrontiert – aber alles eher in einer Ver-Lächerung – es hat niemand wirklich ernst genommen.
    In der ärztlichen Tätigkeit habe ich gesehen wie viele, aus heutiger Sicht, Ideen sich in der Praxis doch nicht durchgehalten haben. War manchmal auch etwas abergläubisches dabei.
    Aber Zimmer 13 war halt eine Nummer, die nach 12 kommt.
    Trotzdem wundere ich mich immer wieder, wenn ich mich mit so verschiedenem Aberglauben konfrontiert sehe. Das braucht manchmal einiges an Toleranz!

    Dass uns die frohe Toleranz erhalten bleibe!

    Du hast wieder ein schönes Thema grandios aufgegleist!
    Vielen Dank!
    Beste Grüsse von Werner

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