Wachstum

Ich hatte einen Traum. Es ging um Wirtschaftswachstum.
Gute Menschen leben in einem schönen Land. Das Land besteht aus einem einzigen Berg. Der gleicht dem Matterhorn. Die Bewohner des schönen Landes müssen immer in Bewegung bleiben. Wer still steht, stirbt. Darum erklimmen diese Landsleute stetig, ruhig und langsam den Berg. Mit jedem gewonnenen Höhenmeter wächst ihr wirtschaftlicher Wohlstand. Bisweilen müssen sie, um höher zu kommen, kurzfristig etwas absteigen. Verständlicherweise geschieht das Gegenteil, der Wohlstand verringert sich. Während Jahrzehnte steigen diese Geschöpfe gleichmässig immer höher. Sie werden immer reicher. Eines Tages sind sie oben angekommen. Der Berg hat keinen Gipfel. Zuoberst erreicht der Wanderer eine weite Hochebene. Die Bergbewohner können sich dort immer noch gut bewegen. Aber es gibt kein Wachstum mehr. Keine Zunahme des Reichtums mehr.
Das Plateau erlaubt eine wunderbare Weitsicht. In der Ferne entdecken sie einen noch höheren, noch schöneren Berg. Ganz am Fusse besteigt frohgemut ein anderes Volk in aller Ruhe den Höhenzug. Neues Wachstum in einem neuen Umfeld ist zu beobachten.

Ich drehe mich im Bette um. Mache ein Auge auf. Der Traum ist aus. Ich gehe ihn in Gedanken noch einmal durch.
Wären die Menschen auf dem ersten Hochland wohl bereit hinunter zu steigen, um ein neues unbekanntes Wirtschaftsfeld zu erobern? Der erste Berg stellt in hohem Grade die alte, bekannte, ziemlich verkrustete Volkswirtschaft von gestern dar. Der neue Berg hingegen bedeutet eine neue, durch einen kräftigen Strukturwandel aufgefrischte, viel versprechende Ökonomie. Sind die Leute bereit abzusteigen, auf ihr Erreichtes zu verzichten? Den Besitzstand auf zu geben? Gehen sie das Risiko ein, eine wohlvertraute Umwelt zu verlassen, etwas völlig Neues, Unbekanntes in Angriff zu nehmen? Sind sie wirklich empfänglich einen Abbau ihres Wohlstands in Kauf zu nehmen?
Sie müssen es fraglos tun, um neues Wachstum zu schaffen. Haben sie die Kraft dazu? Braucht es zu diesem Schritt Druck von aussen? Leidensdruck?

Dieser Traum scheint gar nicht so unwirklich. Wenn schwungvolles Wirtschaftswachstum wichtig ist, kommen wir nicht umhin Opfer zu bringen, um nach neuen Ufern aufzubrechen.

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Geburtstag

 

 

 

 

Der folgende Text beschreibt ein Gespräch zwischen dem deutschen Jagdpiloten Franz von Werra und seinem Neffen Hans. Das Gespräch ist Fiktion und von der Wirklichkeit losgelöst.

 

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Hans
Lieber Onkel Franz,
Ganz herzliche Gratulation zu Deinem Geburtstag. Heute, am 13. Juli 2014, bist Du vor hundert Jahre als Sohn eines total verarmten Barons im Wallis, in der Schweiz, auf die Welt gekommen.

Franz
Es freut mich lieber Hans, dass Du daran gedacht hast. Ich erinnere mich nicht daran. Ich habe immer in Deutschland gelebt und meine Jugend mit meinen Pflegeeltern in Beuron in der Nähe von Sigmaringen (Hohenzollern) und Köln verbracht.
Das Erste, an das ich mich erinnern kann ist mein vierter Geburtstag. Das grösste Geschenk war ein echtes, lebendes Pony. Ausgerüstet mit Sattel und Zaumzeug. Zwischen Vati zur rechten Seite und Ludwig, dem Stallknecht zur Linken, bin ich über den Hof und über die abgeernteten Äcker geritten. Beinahe jeden Tag, sicher aber dreimal die Woche, sass ich auf meinem Pferdchen und ritt mit Vati über Felder und durch Wälder. Es war ein Genuss. Mit etwa fünfeinhalb beherrschte ich die Reitkunst so weit, dass ich auch ohne Begleitung das Pony bewegen konnte. Für meine leiblichen Eltern in der Schweiz habe ich mich nicht wirklich interessiert. Ich musste fast erwachsen werden, um zu hören, dass Vati nicht mein Vater und Mutti nicht meine Mutter waren. Ich fühlte mich als deutscher Staatsangehöriger und liebte meine Pflegeeltern, vor allem meinen Vater, einen preussischen Major. Er war sichtlich bemüht „einen stolzen, aufrechten Kerl“ aus mir zu machen. Das hat er auch getan.

Hans
Dass Du Dich nicht an Leuk erinnern kannst erklärt der folgende Tatbestand: Du kamst ja als fünfzehn Monate altes Kleinkind nach Beuron. Donaueck war Dein Elternhaus. Louisa von Haber Deine Mutter, Major Oswald Carl Dein Vater. Von Deinem eigentlichen Ursprung wusstest Du nichts.
Deine Eltern in Leuk waren, als Du geboren wurdest, in einer unheimlichen Notlage. Du warst der Siebte und der Jüngste. Ich versuche es mir oft vorzustellen, kein Geld zu haben, den Nachwuchs zu ernähren. Zu der Zeit war Deine ältere Schwester Marie-Louise schon bei der Familie des Kirchenmusikers und Organisten Ernst von Werra. Auch als Pflegekind in Beuron. Rosalie von Werra – Molitor, seine Frau, hatte Kontakt zu Deinen Pflegeeltern.
In Leuk stand man vor der schwerwiegendsten Entscheidung. Tragische Folgen würde sie haben. Entweder mussten die zwei jüngsten ins Waisenhaus oder sie musste nach Deutschland um in einem anderen, adeligen Haus eine standesgemässe Erziehung zu erhalten. Zwei Kinder des Barons ins Waisenhaus! Unvorstellbar.
Deine Eltern waren meine Grosseltern. Ich habe sie gut gekannt. Glaube mir Onkel Franz, Deine Mutter war eine grossartige, kluge Frau, mit einer unglaublichen Contenance. „Ich habe die Nacht, um zu weinen“ hat sie mir einmal gesagt. Der unabwendbare Entscheid die jüngsten Zwei nach Beuron zu geben, ist Deinen Eltern schwer, sehr schwergefallen.
Erzähle mir doch bitte mehr von Deinem Leben in Beuron.

Franz
Ich hatte eine wunderschöne Jugend in Beuron. Vater Oswald liess mir viel Freiheit. Ganz anders lebte meine grosse Schwester Charlotte. Unsere Mutter, meistens Mutti genannt, bisweilen auch Mamuschka, erzog uns zu Anständigkeit und Ehrenhaftigkeit. Sie hatte eine hohe ethische Gesinnung und gab uns diese mit. Mutter Louisa hatte sich in den Kopf gesetzt, Lotte zu einer höheren Tochter zu erziehen und sie auf eine gute Heiratspartie vorzubereiten. Das bedeutete für Charlotte, dass sie neben der Schule französisch, die Sprache der Diplomaten und Adeligen lernen musste. Geschichte wurde gebüffelt. Klavierstunden kommandiert. Im Gegensatz zu mir war die Bewegungsfreiheit meiner Schwester stark eingeschränkt. Was sage ich eingeschränkt; Charlotte stand Tag und Nacht unter Kontrolle und kam aus diesem goldenen Käfig nicht heraus.
Bis sie eines Tages genug hatte. Sie hielt das strenge Regime der Mutter nicht mehr aus. Sie hatte genug davon, schwarze Strümpfe zu stricken und die unverständlichen Vokabeln der schrecklichen französischen Sprache zu lernen. Sie wollte weg. Aus diesem Haus flüchten. Ein selbstständiges Leben beginnen. Sie überredete mich, mitzukommen. Mir gefiel die Idee, und wir heckten einen Plan aus. Charlotte war die treibende Kraft.
Sie hatte alles vorbereitet. Irgendwie ist sie zu Geld gekommen. Proviant und zwei Feldflaschen voll Tee hatte sie auch organisiert.

Hans
Erzähl weiter, wie ist die Flucht verlaufen?

Franz
Wir waren wirklich noch kleine Knirpse. Aber Biwi war eine gute Planerin. Sie hatte in einem Atlas gestöbert und entschieden: „Wir gehen nach Leverkusen! In fünf Stunden sind wir dort.“ Nachmittags um fünf war es ruhig im Haus. Erster Treffpunkt war der Gartenpavillon. Dort hatte Lotte am Vortag unsere Wanderschuhe und einen Rucksack versteckt. Wir kleideten uns für die Wanderung und füllten alles in den Rucksack. So gegen sechs zogen wir los. Anfangs ging alles gut. Nach einer Stunde schlug Lotte eine Pause vor. Abendessen wurde eingenommen. Es begann zu regnen. Allzu gut waren wir für diesen Wetterumschlag nicht gerüstet. Wir fanden Unterstand in einer verlassenen Scheune. Es wurde dunkel. Licht hatten wir nicht dabei. Der Regen liess nach. Mitten in der Nacht müssen wir nach Wermelskirchen gekommen sein. Wir hatten die Operation „Ab nach Leverkusen“ unterschätzt. Vorerst mussten wir für die restliche Nacht irgendwo unterkommen. Die Stadtkirche schien uns geeignet. Nur – die war geschlossen. Wir kauerten uns in der Vorhalle vor dem Tor an die Mauer und kamen uns ziemlich verloren vor. Irgendwie ist die Sache schief gegangen. Lotte begann zu räsonieren. Vielleicht sollten wir lieber wieder zurück. Unser Gedankenaustausch wurde von dem Geratter eines Motorrads mit Seitenwagen jäh unterbrochen. Aus dem Sattel stieg ein Schutzpolizist. Er war auf der Suche nach uns. Mutti hatte Alarm geschlagen. Wir sollen einsteigen. Lotte in den Seitenwagen, ich auf den Sozius. Der Polizist beschleunigte. Herrlich, so über Land zu flitzen. Die Luft streift die Wangen. Da fand ich heraus, dass mir rasches Fahren grosse Freude bereitete. Der Spass war allerdings rasch vorbei. Beim Absteigen raunte ich Biwi zu: „Mach Dich auf eine Strafpredigt mit Folgen gefasst!“ Erstaunlicherweise herrschte zuhause lauter Freude. Man war froh, uns wieder zu haben. Die Eltern hatten sich Vorwürfe gemacht und vor allem in Angst gelebt. Viel wurde über die erste, völlig misslungene Flucht, nicht gesprochen. Das meiste wurde unter den Teppich gekehrt.
Ich allerdings hatte gelernt, wenn man eine Flucht plant, sollte man die Operation bis zum Ende durchdenken.
Wie schon erwähnt, hatte ich viel mehr freien Spielraum als Lotte. Die ganz grosse Freiheit genoss ichvor allem beim Leben auf der Meierei. Dort gefiel es mir sehr, dort konnte ich sein. Ich wurde immer geschickter und mutiger im Umgang mit den Pferden. Neben dem Pony waren da noch zwei Rappen, auf denen sich hervorragend reiten liess, im Stall. Sie hiessen Lili und Lala. Natürlich hatte es notwendigerweise auch noch viele Arbeitspferde, Ackergäule für die Arbeit auf dem Felde. Im Pferdestall war mir wohl. Mit dem Stallknecht und dem übrigen Personal hielt ich gute Beziehungen. In der Reiterei wurde ich immer besser und frecher. Ab und zu ritt ich sogar alleine aus. Wir, das Pferd und ich, kamen schön verschwitzt wieder in den Stall. Ich versorgte mein Pferd immer selber. Wir waren eine Einheit. Beide liebten das Tempo. Wir hatten die gemeinsame Freude, miteinander über die Felder zu fliegen. Geschwindigkeit zu erleben, war für mich ein hohes Gut.
Als ich dann, nach gehabtem Ritt, meinen Freund, mein Pferd pflegte, ertappte ich mich oft dabei, dass ich sehnsüchtig einer Elster zuschaute, wie sie elegant von Baum zu Baum segelte, sich selbstbewusst auf den höchsten Wipfel niederliess und mit ihren Artgenossen schwatzte und jagte.
Mir fehlte die dritte Dimension. Wie ich die Sehnsucht von Ikarus verstehe. Wie ich den Drang von Leonardo da Vinci begriff, ein Flugobjekt zu bauen. Schnelligkeit am Boden ist schön, ja kann berauschend sein. Wie schön müsste das in der Luft sein. Wirkliche Freiheit gibt es für den Menschen nur, wenn er die dritte Dimension beherrscht. 

Hans
Lieber Franz, Du hast mir jetzt vieles über das leben im Freien, über die Meierei erzählt. Wie war eigentlich das Leben in der grossen Villa Donaueck, das Stammhaus der von Haber?

Franz
Immer am Nachmittag, wenn wir vier uns zur Kaffee- oder Teestunde zusammengefunden hatten, in einer gemütlichen Ecke des geräumigen Wohnzimmers, dessen grosse Fenster einen weiten Blick in das Tal gestatteten, fühlte ich mich so richtig wohl. So schön geborgen. Zuhause! Vati erzählte oft aus seinem Leben. Von seinem elterlichen Haus in Celle, vom weitläufigen Park, der sich bis zur Leine hinzog. Eine ideale Badegelegenheit für ihn und Onkel Ernst.
Unsere Schulaufgaben gaben oft Anlass, ihn auf die Themen Geografie und Weltgeschichte zu bringen, in denen er mehr wusste, als ich in meinem Leben bislang lernen konnte. Die Teestunde wurde zur Erzählstunde. Diese Erzählungen in der Dämmerstunde hielten wir lange bei, auch als wir uns „kleiner gesetzt“ hatten und in die Meierei gezogen waren, sogar selbst noch später in Köln, als ich schon die oberen Klassen des Gymnasiums besuchte.
Erhebende Augenblicke waren es, wenn unsere Eltern gemeinsam musizierten. Wenn Mutti ihre Geige hervorholte und Vati sie auf dem Piano begleitete.
Ihnen in dem gediegenen Musikzimmer zuzuhören, war ein doppelter Genuss: Die glänzenden schwarzen Möbel, der Flügel, die hohen Bücherschränke, der Schreibtisch und die Sessel vor einer braungoldenen Tapete, die schweren roten Portieren, die die Fenster umrahmten, blieben mir unvergessen. Heute noch sehe ich die seidene Flügeldecke mit den in Gold gestickten zarten Reihern, deren Glanzaugen ich fast sämtlich herausgeklaubt habe.
Festlich wirkte auch das weissgetäfelte Esszimmer, dessen Ecken abgerundet waren durch Vitrinen, hinter denen kostbare Gefässe prangten und reich geschliffene Kristalle mit Szenen in die ich mich vertiefen konnte. Zwischen den Fenstern reichte ein grosser Spiegel von der Decke bis zum Boden. An den Wänden hingen die Armleuchter. Sie trugen kleine Schirme aus gelber Seide.
Ein grosser Salon schloss sich an. Der Boden hatte ein wunderbares Parkett. Die brokatbezogenen Möbel hatten vergoldete Armlehnen. Braunleuchtende Tische mit schwungvollen Linien stellten Museumsstücke dar. An den Wänden hingen dunkle Landschaftsgemälde in breiten, goldenen Rahmen.
Die Zimmerflucht beschloss ein reizendes Boudoir mit weichen Polstern und Kissen.
Eine Terrasse lief diesen Räumen entlang, deren herrliche Aussicht auf Beuron und das Donautal allen Besuchern grossen Eindruck machte. Zweiundvierzig Räume hatte das Haus. Ich war stolz darauf.

Hans
Das Leben besteht aus eine Aneinanderreihung von Erfahrungen, die einem möglicherweise später zu Gute kommen können.
Eine andere Frage Onkel Franz, wie hiess Deine grosse Schwester eigentlich Emma, Charlotte, Lotte, Biwi oder Moritz und Mo?

Franz
Spitznamen waren in unserer Familie stets in Gebrauch. Ich, der kleine Bruder, war für die Frauen Buschi, für Vati aber immer Franz. Charlotte war der offizielle Rufname von Emma. In der Schule und auf der Strasse wurde daraus Lotte. Biwi war eine Erfindung von Mutti.
Interessant war die Verwendung des Knabennamen Moritz. Er wurde nur zwischen uns beiden gebraucht und war geheim. Nur wir zwei. Niemand sonst durfte davon wissen, geschweige denn ihn gar benützen.
Lotte war im Grunde ein Bewegungstyp. Sie liebte den Sport, sie liebte, wie ich, die Geschwindigkeit. Das passte gar nicht in das Erziehungskonzept von Mutti. Sie wollte aus Lotte eine Dame der Gesellschaft machen. Sport und gar Autofahren war nichts für anständige höhere Töchter. Lotte war sehr körperbezogen. Sie liebte es, sich in einem knappen Badeanzug in der frischen Luft zu bewegen, zu turnen und zu spielen. Sie bewunderte gute Sportler. Wir gingen zusammen oft, mehr geheim als erlaubt, zu Sportanlässen und schauten den Athleten bei der Arbeit zu. Polo zu Pferd, fechten und schwimmen waren besonders beliebt. So traf Biwi eines Tages Moritz Handrick. Er war ein Supersportler. Ein wahrer Adonis. Für den modernen Fünfkampf trainierte er. Lotte war hin. Sie wusste alles über ihn. Sie bewunderte seinen athletischen Körper. Er war ihr Schwarm, das Vorbild, den Sportler schlechthin, ein Held!
Ich sollte ihn später an der Sportschule und auch als Pilot der Luftwaffe noch besser kennenlernen.
An den Sommerspielen 1936 der Olympiade holte Moritz in Berlin die Goldmedaille. Das war eine echte Leistung. Das war Moritz!
Lotte führte ein Tagebuch. Dort hinein klebte sie alle Bilder die sie in Sportzeitungen und Illustrierten finden konnte. Sie verfolgte seine Karriere im Rundfunk. Sie kannte seine Ergebnissen im Schwimmen, Fechten, Schiessen, Reiten und Laufen.
Vati war damals schon todkrank. Lotte schwärmte für Moritz. Nur ich wurde ins Vertrauen gezogen. Wir hatten ein gemeinsames Geheimnis. Dieses gab mir die Möglichkeit, auch gelegentlich Lotte mit ihrer Schwärmerei zu necken. Von da an nannte ich sie oft Moritz. Die Spitznamen wurden so etwas wie ein geistiges Band, das uns zusammenhielt und vor den ungemütlichen Ereignissen in der Familie Carl schützte. Die Familie Carl war ja im Chaos der Gefühle zerbrochen. Wir hatten nur noch uns zwei. So beschloss ich, sie in Zukunft Moritz oder Mo zu nennen und sie mich Buschi. Nach dem Tode von Vati, im Herbst 1933, waren nur wir noch für einander da.

Hans
In unserer Familie bist Du so richtig berühmt geworden, als Emma nach Leuk gereist ist und uns von Dir erzählt hat. Was gab Dir den Antrieb, Deutschland zu verlassen und nach Amerika abzuhauen.

Franz
Hans, Du kannst Dir keinen Begriff machen in was für einem Schlamassel Deutschland stak. Und unsere Familie genau so. Das Volk verarmte. Not und Hunger so weit das Auge reichte. Die Weimarer Republik hatte politisch keine Autorität. Ich hatte genug von Deutschland. Ich hatte genug von meiner Familie, die gar nicht meine Familie war und mich mit Notlügen eindeckte. Ich hatte genug von dem Leben in der Misere. Ich hatte genug von Europa. Ich wollte einfach weg! Amerika war das Land mit der grössten Freiheit eines jeden Bürgers. Dort wollte ich hin. Dort wollte ich ein neues Leben aufbauen. Mein Leben nach meinem Gusto gestalten.

Hans
Und dann kam alles ganz anders. Nach dreieinhalb Monaten als blinder Passagier warst Du wieder in Hamburg, ohne je einen Fuss auf amerikanischem Boden gesetzt zu haben.
Zurück auf Feld eins! 

Franz
Mein lieber Neffe, ich war am Boden zerstört. Zurück ins Gymnasium wollte ich nicht mehr. Kurz nach Weihnachten 1932 vernahm ich, dass Moritz und Vati heiraten wollen. Ich war völlig allein. Keine Familie. Mit Mutti und Vati lag ich in Unfrieden. Mo gehörte auch nicht mehr zu mir.
Das folgende Jahr war mein Katastrophenjahr. Das Jahr, in dem Du geboren bist und Hitler die Macht übernahm. Ich hielt mich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser. Viel zu verdienen gab es nicht. Deutschland lag wirtschaftlich und politisch am Boden. Arbeitslosigkeit, Verarmung und eine unfähige Regierung ohne jede Führung. Eine totale Verelendung der Mittelklasse. Viele Mitmenschen sehnten sich den Kaiser wieder herbei. Deutschland brauchte einen neuen Chef. Jemand, der die Führung übernimmt und uns aus dem Schlamm wieder hochzieht. Ich fühlte mich so elend wie noch nie. Nie vorher und nie nachher. Ich war 18 Jahre alt. Ich hatte nichts. Keine richtige Ausbildung, keinen Anschluss, kein Diplom, keine Beziehungen, kein Geld, keine richtigen Freunde, kein Zuhause. Nichts! Ich wurstelte mich einigermassen durch. Eines Abends hatte ich genug von meinem Selbstmitleid. Ich raffte mich auf. Ich meldete mich bei der Sportschule im westfälischen Hamm. Ich wollte Wehrsportlehrer werden und eine Karriere als Offizier der Wehrmacht starten. Das gelang und gab mir meinen Lebenswillen zurück. Es war wirklich die allereinzige Möglichkeit, aus der wirtschaftlich unmöglichen Situation heraus zu kommen. Ein ungeheurer Antrieb entbrannte in mir. Ich bestand die Aufnahmeprüfung in die Sportschule. Das war der Start zu einer Militärkarriere. Endlich hatte ich ein Ziel vor Augen: Zum Heer und dort zur modernsten Waffengattung, zur Luftwaffe. Es gelang. Auch die Aufnahmeprüfung in die Luftwaffe hatte ich bestanden. Ich wurde Soldat. Das war anfangs 1934. Das Krisenjahr 33 habe ich aus meinem Leben gestrichen.

Hans
Auch für Emma brach zur selben Zeit eine völlig neue Zeit an.

Franz
Ja, gegen Ende 1933 ist Vati schwer krank an einem Gallenleiden gestorben. Moritz und ich sind in Dortmund zusammengezogen. Nur war ich selten mit ihr zusammen. Die Ausbildung zum Piloten und zum Offizier forderte lange Jahre im Heer mit wenig Urlaub. Mo war während meiner soldatischen Ausbildungszeit meine moralische und finanzielle Unterstützung. Wir sahen uns nicht oft, hatten aber einen intensiven Briefkontakt. Wir schrieben uns beinahe wöchentlich. Ohne Mo wäre ich nie Offizier geworden. Kommt dazu, dass die ersten Jahre unter Hitler Arbeit und Wohlstand brachten. Wir wurden wieder als Industrienation ernst genommen. Am Horizont winkte eine Zukunft wie zu Kaisers Zeiten. Ich witterte Morgenluft. Allzu lange konnte das mit dem Krieg nicht gehen. Dann Friede, auf zu neuen Ufern!
Mo hatte Arbeit als Sekretärin und stand auf eigenen Füssen. Sie besuchte unsere Familie im Wallis. Eine Familie weit weg in der Schweiz, die ich nicht nie gekannt habe und nie kennenlernen wollte.
Es ging in unserem Land ja wieder bergan. Die Aussichten waren prächtig. Ich war Pilot und lernte die Schönheit des Fliegens kennen. Endlich gehörte mir auch die dritte Dimension.
Wer das nicht erlebt hat, lieber Hans, weiss nicht, wie schön das Leben in der Luft ist. Du bist eins mit Deiner Maschine. Frei wie ein wendiger Vogel kannst Du Dich bewegen. Hier erlebst Du den höchsten Genuss. Es kann zur Sucht werden mit hohem Tempo Loopings und Immelmänner zu fliegen. Es wird zum Rausch! Der Rausch des Fliegens. Die Herrlichkeiten, denen es zwischen Himmel und Erde zu begegnen gibt, sind überwältigend.

Hans
Zurück zur Sportschule. Du bist Kampfflieger geworden. Wie ging es dann weiter?

Franz
Die wirkliche Triebfeder war das miserable Umfeld, in dem sich Deutschland und auch ich selbst mich befand. Es gab nur noch arme Leute. Bedürftigkeit und Armseligkeit wohin man schaute. Es war nicht mehr zum Aushalten. Wie schon gesagt: Die einzige Chance für eine Flucht aus diesem Elend, war das Heer. Dort bei der modernsten Waffengattung, der Luftwaffe, sah ich die allereinzige Chance für eine Karriere.

Hans
So wurdest Du Offizier dieser modernen Waffengattung, der Luftwaffe.

Franz
Bis es so weit war, hat es allerdings ein paar Jahre gedauert. Um genau zu sein, brauchte ich vom Eintritt in die Sportschule bis zur Beförderung zum Leutnant satte fünf Jahre. Alleine hätte ich es nicht geschafft. Moritz war meine moralische und finanzielle Stütze. Ohne Moritz wäre ich auf der Stufe Flugzeugwart hängen geblieben. Ich hätte nie eine Flugstunde erlebt. Mo und ich standen uns echt sehr nahe. So wurde ich Jagdflieger und sehr glücklich in meinem neuen Beruf.
Hans, das musst Du verstehen. Zum allerersten Mal stand ich auf eigenen Füssen. Gehörte ich zur Elite. Sah ich eine Zukunft vor mir. Hatte ich ein Ziel! Der Führer hat allen Offizieren, die das Ritterkreuz trugen, ein Landgut in den eroberten Gebieten im Osten des Landes versprochen. Das war mein Ziel, Gutsherr werden einer eigenen Meierei, schöner als wir sie in Beuron hatten. Und ein Leben in Frieden! Der Krieg konnte ja sowieso nicht lange dauern. Ich musste mich sputen, das Ritterkreuz zu verdienen. Mo war sehr stolz auf mich. Sie wollte unbedingt, dass ich durchhalte. Denn lustig war die Ausbildung auch nicht immer. Vor allem half sie mir finanziell. Ich war immer knopfstier. Ich hatte keine Mark persönliches Kapital. Der Sold reichte auch nur für das Allernötigste. Für grössere Beschaffungen hatte ich kein Geld. Vieles mussten wir aus eigenen Mitteln finanzieren. Teile der Uniform, Lehrbücher und Zigaretten. Rauchen gehörte dazu und wurde von Woche zu Woche teurer.
Wenn ich daran zurückdenke, schäme ich mich heute noch, wie ich meine Schwester regelmässig anbettelte. Sie hatte selbst kaum genug zum Leben. Ihr war meine Karriere als Offizier so wichtig, dass sie sich aufs Allernötigste beschränkte und mich mit dem Ersparten unterstütze. Sie war der einzige Mensch damals, den ich hatte, der sich um mich sorgte.

Hans
Als Du dann in der neuen Uniform da standst, wart Ihr beide sehr stolz und sehr glücklich.

Franz
So war es. Ich weiss nicht, wo die Freude grösser war, bei Moritz oder bei mir. Mo war hell begeistert. Sie liebte Soldaten in Uniform, ganz besonders Offiziere.

Hans
Das hat sie von ihrer Mutter geerbt. Für Grand’maman waren Offiziere alles Helden. Männer, die für die Sicherheit der Frauen und Kinder garantierten. Ich habe das selber einmal erlebt. Wir lagen in Turtmann, dem Flugplatz für Mirage-Flugzeuge ganz in der Nähe von Leuk. Eines Abends überraschte ich Deine Mutter mit einem Besuch. Ich war gerade Hauptmann geworden und kam begleitet von Adjudanten vorbei. Das war ein Fest für sie. Sie eilte in den Keller. Ging rasch zum Bäcker. Tischte uns in Blitzes Eile ein Abendessen auf. Sie war die Tochter eines Offiziers und Enkelin eines Generals; sie wusste, was sich gehört, wenn sich die Herren meldeten. Franz, in Deiner Familie im Wallis findest Du viele Offiziere.

Franz
Ich war wirklich sehr stolz darauf, mein erstes Karriereziel erreicht zu haben. Mo förderte mich, wo sie nur konnte, und forderte mich eben so. Sie trieb mich an. Ich startete die Arbeit an meine Zukunft. Gehörte ich doch jetzt zur Elite. Mein Ziel war nun das Ritterkreuz.

Hans
Das kam dann alles etwas anders. Das Ritterkreuz hast Du erhalten. Das Ende des Krieges aber nicht erlebt. Onkel Franz, Hand aufs Herz, ohne Hitler wärst Du nie so berühmt geworden. Warst Du ein Nazi? Für unsere Verwandten sind alle, die im Heer dienten und am Zweiten Weltkrieg teilnahmen Nazis.

Franz
Mein lieber Neffe, diese Frage musste ja kommen. Um es ganz kurz zu machen: Nein, ich war kein Nazi. Weder in meiner Gesinnung, noch war ich in der Hitlerjugend und in der Partei. Im tiefsten Herzen hat mich Politik nie interessiert. Für mich war der Krieg eine Gelegenheit, mein Können unter Beweis zu stellen. Wir waren die Ritter der Lüfte. Uns Piloten interessierte weder Macht noch Vorherrschaft. Den Theorien von Hitler haben wir nie richtig geglaubt. Für uns Jagdflieger gab es nur den Kampf Mann gegen Mann. Der Bessere überlebt.
Natürlich wussten wir vom Terror der SS und von den Konzentrationslagern. Natürlich waren wir ein wichtiges Element der NS-Propaganda. Es war auch schön, als Held gehandelt zu werden. Es war sogar sehr schön, zur absoluten Elite zu gehören und entsprechend bewundert und verehrt zu werden. Der hohe Prestigegehalt unser Waffengattung und das Wissen, dazu zu gehören, waren enorm motivierend für uns alle in der Luftwaffe. Mir ging es darüber hinaus ums Vaterland. Ich bin ein überzeugter Deutscher. Uns ging es nach dem Ersten Weltkrieg so furchtbar schlecht. Das musste besser werden. Dafür wollte ich mich einsetzen. Wenn die Diplomatie nicht weiter kommt, geht man zum Krieg über. So war das immer. Alle Nationen hatten Heere und Generalstäbe. Deutschland konnte nur mit den Mitteln des Krieges die verlorene Ehre zurückerobern. Das war der Preis für die Besserstellung unseres Vaterlandes. Ich war bereit, ihn zu bezahlen.

Hans
So um 1985 traf ich auf einer Geschäftsreise einen älteren Herrn. Er war auch Jagdflieger gewesen. Er ist in Deiner Staffel geflogen. Er hat mir viel über Dich erzählt und auch über sich. Er war erfolgreicher Unternehmer und sagte mir wörtlich: „Gottseidank sind wir damals 1941 als Kriegsgefangene nach Kanada transportiert worden. So haben wir den Krieg überlebt. So konnten wir eine Karriere in der Bundesrepublik aufbauen.“ Mir Deiner Flucht aus dem fahrenden Zug und der abenteuerlichen Überquerung des St. Laurenz Stromes hast Du auf den Schutz als Kriegsgefangener verzichtet. War das fürs Vaterland oder war das für Hitler?

Franz
Ich war Soldat. Ich hatte einen Fahneneid geleistet. Ich musste und wollte zurück an die Front. Ich wurde dort gebraucht, um das Vaterland zu retten.

Hans
Zurück in der Heimat wurdest Du aber von der Front abgezogen und auf den Feldflugplatz Katwijk in Holland verlegt.

Franz
Mein lieber Hans, das war für mich die grosse Enttäuschung. Wir lagen dort fern vom kriegerischen Geschehen. Wir hatten nichts Rechtes zu tun. Es war langweilig. Hier in Holland war nichts los. Hier war Friede. Warum liege ich hier nutzlos herum? War ich zu naiv, zu leichtgläubig? Das ganze Hitlerregime begann ich infrage zu stellen. In Katwijk habe ich mir dann die furchtbare Frage gestellt: „Ist das Ganze vor dem Gewissen vertretbar?“ Eigentlich nicht, nein.
Da fiel mir ein, dass ich einen Bruder habe, der mit seiner Familie in Den Haag, ganz in der Nähe, wohnt. Mit ihm wollte ich mich besprechen.

Hans
Das war am 21. Oktober 1941, als Du uns in der Vlierboomstraat 557 besucht hast, ich gerade Mal acht und schockiert, dass wir von einem Deutschen Offizier Besuch bekamen. Ihr wart bei der Bevölkerung in Holland alles andere als beliebt.

Franz
Lass mich erzählen.
Ich erinnere mich, du bist dort ziemlich misstrauisch im Hintergrund herum geschlichen. Für mich war das Treffen ein grosses Erlebnis. Vom ersten Augenblick an war klar, dass er mein Bruder sein muss. Da brauchte es keine Papiere für den Beweis. Ich dachte ich schaue in den Spiegel, so glichen wir einander. Nicht nur unsere Statur, auch im Gespräch, wir hatten beide das abenteuerliche Temperament in der Brust. Wir waren zwei Stunden zusammen oder vielleicht drei. Nach 27 Jahren treffe ich meinen drei Jahren älteren Bruder Ignaz, meinen richtigen leiblichen Bruder. Ich habe einen Bruder, und ich habe ihn kennengelernt. Die Schwester Therese hatte ich vor drei Jahren in Deutschland getroffen. Das waren Blutsverwandte, Teile meiner Familie. Eine Familie, die man mir immer vorenthalten hatte. Ich war sehr gerührt. Wir, Ignaz und ich, beschlossen uns besser kennenzulernen. Ich wollte auch meine Schwägerin und meine zwei Neffen kennenlernen. Als Erstes wurde eine Feier im „Hotel des Indes“ in Den Haag geplant für nächsten Samstagabend. Ich bringe ein paar Kameraden mit, und dann wird gefeiert.

Hans
All das wurde Dir bewusst, nachdem Du meinen Vater kennengelernt hast? Was habt ihr eigentlich wirklich besprochen? Vier Tage später bist Du abgestürzt. Bei einem völlig harmlosen Patrouillenflug. Ihr ward eine Doppelpatrouille ohne Feind weit und breit. Unverständlich. Onkel Franz, der Ritterkreuzträger mit mehr als 20 Abschüssen, stürzt ohne Grund in die Nordsee. War das vielleicht Sabotage? Wollten sie Dich auf elegante Art loswerden? „Dieser Held ist uns zu gefährlich geworden, er muss weg!“?

Franz
In den ersten Jahren meines Dienstes sah alles nach einem Blitzkrieg aus. Kurzer Waffengang – Grossdeutschland – und ich im Frieden als Gentleman Farmer. Das war meine Motivation. Ich sonnte mich in der Rolle eines Helden, eines Draufgängers, eines Abenteurers, dem alles gelingt. Auch alle die Fluchtversuche aus der Kriegsgefangenschaft und die Heimreise durch die halbe Welt waren von Abenteuerlust und Heimatliebe getrieben. Ich war sehr stolz von Hitler selbst empfangen zu werden, mit ihm und zwei weiteren hohen Tieren der Armee, Generalfeldmarschälle Keitel und Jodl, zu Mittag zu essen. Vom Führer persönlich das Ritterkreuz zu empfangen, ist etwas ganz besonders.
Beim ganzen Lob und Pump hatte ich irgendwo zuhinterst im Schädel ein schales Gefühl. Irgendetwas stimmte da nicht. Kurz vor der Nachspeise fiel es mir wie Schuppen von den Augen: „Dieser Hitler ist krank. Hochpsychotisch!“ Sein Bestreben, Deutschland zu retten ist ein Vorwand. Er ist süchtig, süchtig nach unbegrenzter Macht, nach Omnipotenz. Koste es was es wolle.Kasten Franz 20140703
Als ich wieder mit meiner Staffel gegen Russland im Einsatz stand, verflogen diese düsteren Gedanken. Etwas hingegen, war in meiner Brust verändert. Beim Besuch bei Hitler ist in mir etwas zerbrochen, ist etwas kaputt gegangen.
So richtig bewusst wurde mir das, als ich plötzlich von der Front zurückgezogen wurde. Die Geschichte mit der neuen Messerschmidt Me 109-F4 war eine faule Ausrede. Das Versprechen, ich würde dann Cheftestpilot auf dieser Neuheit, war eine Lüge. Man wollte mich aus dem Kriegsgeschehen entfernen. Auf gar keinen Fall dürfte ich ein zweites Mal in Kriegsgefangenschaft geraten. Ich wusste zu viel. Zu viel vom Feind. Zuviel von uns. Ich war ein zu grosses Risiko und wurde kurzerhand nach Katwijk abgeschoben.
So lag ich mit meiner Staffel in Holland. Wir hatten keinen richtigen Auftrag. Eine lächerliche Verschwendung von Personal und Material.
Wir hatten Zeit zum Nachdenken. Ich besonders nahm mir die Zeit und stellte meine Überlegungen an. Lange und oft dachte ich über mein Leben nach. Gefühlsmässig befand ich mich in einem Riesentief. Es war dieselbe Misere wie in der Zeit vor meinem Militärdienst. Ich habe den Heldenruhm genossen. Jetzt komme ich mir ausgenutzt vor. Hitler hatte mir von Anfang ein Theater vorgespielt, eine üble Posse. Es ging gar nicht um die Heimat. Man hat mich über den Tisch gezogen. Ich war ein Teil von Goebbels Propagandamaschine. Ich war gar kein Held. Eine Marionette war ich. Ich hing an Fäden, die von Grössenwahnsinnigen gezogen wurden. Deshalb wurde meine abenteuerliche Flucht durch Amerika-Afrika zurück in die Heimat geheim gehalten. Deshalb durfte niemand wissen, dass ich wieder in Berlin war. Deshalb wurde das Manuskript des Buches, in dem ich die Erfahrungen in englischer Kriegsgefangenschaft niedergelegt hatte, nicht publiziert. Nicht weil es zu englischfreundlich und zu wenig arisch war, wie mir einmal ein Lektor des Verlags im Vertrauen mitteilte. Die Tommies waren auf dem Gebiet der Befragung wirklich besser wie wir. Deshalb wurde ich von der Front in die Etappe kommandiert. Als zu grosses Risiko wurde ich aus dem Verkehr gezogen! Auch der Empfang beim Führer war inszeniert. War ein Teil dieser Strategie des Kaltstellens.
Der Besuch bei Deinem Vater in Den Haag gab mir den letzten Schub. Einmal mehr war ich in meinem Leben belogen, betrogen, hintergangen, missbraucht und getäuscht worden.
Ich konnte dem Treiben von Hitler nicht mehr zusehen, es nicht mehr unterstützen.
Auf der Fahrt von Ignaz zurück auf den Flugplatz wurde es mir klar: Ich kann nicht mehr mitmachen. Es gibt nur ein definitives Aussteigen.
Nach mehr als siebzig Jahren will ich das Geheimnis lüften. An jenem 25. Oktober war ich sehr erregt. Ich war aufgewühlt. Ich tigerte in der Baracke herum. Ich schimpfte mit der Bodenmannschaft. Mir war nicht wie sonst.
Mit einer endgültigen Absicht im Kopf befahl ich den Kontrollflug einer Doppelpatrouille über die Nordsee.
Die Kameraden stierten mich an. Für gewöhnlich starteten wir eine einzige Maschine für eine solche lächerlich einfache Mission. Ich konnte es in ihren Gesichtern lesen: „Jetzt spinnt der Alte!“ „Auch gut, gehen wir zu viert.“ So gondelten wir 1500 Meter über Grund über die Nordsee.
Weit und breit kein Feind. Weder in der Luft, noch in der See. Es war die Ruhe selbst. Nur der Wind war etwas ruppig. Nach dreiviertel Stunde stellte ich den Motor von Hand ab. Die Meldung im Sprechfunk: „Mein Motor ist sauer. Probiere eine Notlandung“. Um dem Ganzen noch einen möglichst realistischen Anstrich zu geben, legte ich meine Kiste in eine Vrille und tat so, wie wenn ich mit dem Fallschirm aussteigen wollte. In Wirklichkeit sausten wir beide, meine geliebte Maschine und ich, in die See.
Stolz bin ich heute noch auf meinen Galgenhumor in meinem letzten Funkspruch: “ Verdammt kalt zum Baden, was?“

Hans
Onkel Franz, Du hattest zwei Seelen in Deiner Brust. Die eine war die des Draufgängers, der Abenteurers, des Ausbrechers, des waghalsigen Realisators. Die andere zeigt Dich als gefühlvollen Menschen, einen gewinnenden ehrlichen Freund, der zu einer gewissen Naivität neigt. Einen emotional-warmherzigen, sympathischen Menschen, der in seiner berührenden Art offen auf jedes seiner Gegenüber zugeht.
Ich werde Dich in die Ahnengalerie der Offiziere unserer Familie einreihen. Neben General de Wolff und Oberst Caspar-Ignaz von Werra. Du wirst auch dort eine gute Figur machen. Du gehörst zu uns. Es war schön mit Dir zu plaudern. Es war ein interessanter Gedankenaustausch.

Weiterführende Literatur:

Sebastian Haffner          „Von Bismarck zu Hitler“ Ein Rückblick. 1987 Kindler Verlag            GmbH München ISBN: 3-463-40003-0
Kendal Burt                       „The one that got away“ [Einer kam durch] 1956 Collins with Michael Joseph, London.
Wilfried Meichtry           „Du und ich – ewig eins“2006 Ammann Verlag & Co Zürich
ISBN: 3-250-30019-5
Wilfried Meichtry           „Die Walliser Adelsfamilie von Werra“ Bern-Leuk 2001 Doktorarbeit bei Frau Professor Beatrix Mesmer, Philosophisch-historische Fakultät der Universität Bern
Werner Schweizer         „VON WERRA“ Film auf DVD. 1 Stunde 44 Minuten. Xenix 21022
Dschoint Ventschr Filmproduktion Zürich 2002

 

 

 

 

 

 

 

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Privatsphäre

 

Zukunftsromane, Science-Fiction Stories, geben, wenn sie gut geschrieben sind, Gelegenheit zum Nachdenken. Einer der besten Autoren auf diesem Gebiet, Isaac Asimov, kam mit einer Geschichte heraus, die anregend zum Grübeln einlädt: „Die Menschheit braucht die verbale mündliche Kommunikation nicht mehr. Jedermann kann Gedanken lesen. Alle wissen von allen, was sie gerade denken.“
Stellen Sie sich vor, Sie begegnen einen Menschen an dem Sie böse Erinnerungen haben. Ihre gute Erziehung zwingt Sie zu höflichem Gespräch. Ihr Gegenüber aber kann Ihre nicht eben schmeichelhafte Gedanken lesen. Der gläserne Mensch. Die totale Transparenz. Es gibt keine Privatsphäre mehr.
In der Novelle stirbt die Menschheit aus. Niemand wird älter als 18 Jahre. Ohne geheimes Kämmerchen im Gehirn kann man nicht leben. Ein sehr logischer und konsequenter Schluss von Asimov.

Auch heute, ohne Science-Fiction, wird das Privatleben von Mensch, Familie, Politik und Wirtschaft immer weniger respektiert. Indiskretionen werden teuer gehandelt.
„Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, jederzeit und über alles sofort informiert zu werden.“ Das sagen die Medien. Wahrscheinlich wohl die grösste Heuchelei des Jahrhunderts. Das Medienbusiness ist hart umkämpft. Die Konkurrenz ist riesengross. Es geht um Auflagen und Einschaltquoten. Indiskretion ist eine Kraftquelle in diesem Geschäft. Unter den Berichterstattern ist der Wettbewerbsdruck enorm hoch. Da wird schon einmal Anstand und Takt aufgegeben. Die Privatsphäre wird ohne Hemmungen verletzt. Informationslecks und Indiskretionen sind zusätzlich willkommene Geschenke. Schlechte Nachrichten und Privatgeschichten sind beliebt und werden gerne konsumiert.

Die Menschheit wird deshalb nicht aussterben. Nachteilige Spuren jedoch vertiefen sich. Was ist zu tun? Wie soll die Öffentlichkeit informiert werden? Ein Ratschlag für die Produzenten von Nachrichten: Viel Schweigen und erst dann sachlich informieren, wenn alle Fakten bekannt sind.

Ein Ratschlag auch für die Konsumenten: Dem Boulevard keine Bedeutung schenken. Informationen bei seriösen Berichterstattern beziehen. Die persönliche Neugierde zähmen.

So entstehen mit der Zeit sachlichere Berichte und eine weniger verletzte Privatsphäre.

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Sphère privée

S’ils sont bien écrits, les romans de science-fiction peuvent nous faire réfléchir. Un des meilleurs auteurs dans ce secteur, Isaac Asimov, a écrit une histoire qui incite à ruminer: „L’humanité n’a plus besoin de la communication verbale. Tout le monde sait lire les pensées des autres. Chacun sait ce que son entourage est en train de penser.“
Imaginez la rencontre avec une personne qui vous a laissé de mauvais souvenirs. Votre bonne éducation vous oblige à tenir une conversation polie. Mais votre partenaire peut lire vos pensées peu flatteuses. L’homme en verre. La transparence totale. Il n’y a plus de sphère privée.
Dans la nouvelle d’Asimov l’humanité disparait. Personne ne dépasse l’âge de 18 ans. On ne peut pas vivre sans un coin secret dans son cerveau. Une fin logique et cohérente.

Dans la réalité de nos jours, sans science-fiction, la vie privée de l’individu, la famille, en politique et économie est de moins en moins respectée. Les indiscrétions sont négociées à prix d’or.
„Le public a le droit d’être informé immédiatement de tout ce qui se passe.“ Disent les médias. Probablement la plus grosse hypocrisie de notre centenaire. La lutte est dure dans le milieu des médias. La concurrence est énorme. Il s’agit de tirages et de taux d’écoute. L’indiscrétion représente une source d’énergie dans ce commerce. La pression concurrentielle parmi les correspondants est très élevée. Il arrive donc qu’on oublie le tact et les bonnes manières. La sphère privée est violée sans scrupules. Des fuites d’information et des indiscrétions sont des cadeaux appréciés. Le public aime les mauvaises nouvelles et les histoires privées qu’il consomme volontiers.
L’humanité ne va pas en mourir. Mais les traces négatives s’approfondissent. Qu’est-ce qu’on peut faire? Comment faut-il informer le public? Un conseil pour les producteurs de nouvelles: garder souvent le silence, puis informer objectivement seulement quand tous les faits sont avérés.
Un conseil pour les consommateurs: ne pas accorder d’attention aux journaux à sensation. Se procurer les informations auprès de rapporteurs sérieux. Retenir la curiosité personnelle.

 Ainsi se créeront à long terme des informations plus objectives et une sphère privée moins exposée.

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Ressources humaines

Souvenons-nous de l’ambiance qui régnait dans les entreprises et les usines d’il y a une génération. „L’humain est le point central“. Quelle épreuve avons-nous vécu lorsque l’hymne de la „valeur pour les actionnaires“ fut entonné? „L’humain est un moyen. Point“. Le résultat: suppression de lieux de travail, licenciements et chômage.
En puisant dans mes souvenirs je constate que les points forts de la politique d’entreprise ont changé dans un rythme régulier. Ils comprenaient:  

          priorité de la production
          importance du Marketing
          modèles de conduite du personnel
          organisations nouvelles
          financial engineering. 

La Shareholder value, la valeur pour les actionnaires, souvent mal comprise, est sans doute le point qui a fait le plus de tort à l’économie et la réputation du management.
Pourtant la plupart des dirigeants d’entreprise de nos jours sont sérieux et travaillent avec détermination. Ils ne spéculent pas. Ils fournissent des prestations. Ils dirigent leur entreprise.
Ce grand nombre de capitaines d’industrie, conscients de leur responsabilité, savent ce qui compte.
Identifier un marché et développer les produits et services dont il a besoin. En faire une réussite commerciale avec une équipe cohérente. Débloquer les fonds nécessaires. Il s’agit donc de clients, collaborateurs et donateurs. Tous des humains!
Il faut donc convaincre ces personnes. Les enthousiasmer pour un but. Procurer aux collaborateurs une activité intéressante.
Il s’agit d’obtenir la confiance. Etablir des rapports de confiance et les conserver. Dans l’avenir on cherchera des chefs capables de s’occuper aussi bien des joies et des peines de leur environnement que des affaires de l’entreprise et le comportement de la bourse. Nous avons besoin de dirigeants conscients du fait que nous vivons dans des marchés. Que nous devons aborder la concurrence.  

On peut comparer l’entreprise à une table à trois pieds: le pied marché, le pied personnel et le pied finances. Le plateau de table doit être à l’horizontale. Ce n’est le cas uniquement si les trois pieds ont la même longueur. Si un des pieds est plus long, p. ex. une importance surdimensionnée accordée à la bourse, le plateau bascule et le contenu se met à glisser.
Il nous faut à nouveau des chefs à l’ancienne. Des gens qui fournissent des prestations en équipe et apportent ainsi une contribution positive à l’économie. Des humains conscients de l’importance des efforts d’autres humains. Des chefs qui savent évaluer les collaborateurs et les utiliser en fonction de leurs capacités.
Les supérieurs de ce genre existent parfaitement de nos jours. Mais leur activité est bien moins spectaculaire. Ils agissent sans cesse et dans la discrétion. Aucun journal ne les mentionne. Ces chefs sont convaincus de leurs idées et travaillent constamment et sérieusement dans le sens des objectifs fixés.
Les succès réels des entreprises sont marqués par les humains qui s’appliquent avec patience et ténacité. 

Gérer une entreprise c’est conduire des hommes.

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Menschenführung

Wie war das noch eine Generation zurück in den Firmen und Fabriken?“Der Mensch als Mittelpunkt“ Was mussten wir erleben, als das Hohelied des „Shareholders value“ angestimmt wurde? „Der Mensch als Mittel. Punkt.“
Das Ergebnis: Abbau von Arbeitsplätzen, Entlassungen und Arbeitslosigkeit.
Wenn ich die, in regelmässigem Rhythmus sich ändernde Schwerpunkte der Unternehmenspolitik die ich in meinem Leben erlebte, Revue passieren lasse:

  • Primat der Produktion
  • Bedeutung des Marketings
  • viele Führungsmodelle der Personalbetreuung
  • neue Organisationen
  • Financial Engineering

so war der oft falsch verstandene Ansatz des Shareholder value bestimmt derjenige, der der Volkswirtschaft und dem Ansehen des Managements den grössten Schaden zugefügt hat.
Trotzdem die meisten Unternehmensführer sind heute noch immer seriös und zielstrebig an der Arbeit. Sie spekulieren nicht. Sie erbringen eine Leistung. Sie führen ihre Firmen.
Diese grosse Zahl von verantwortungsbewussten Industriekapitänen wissen worauf es ankommt.
Einen Markt erkennen, und die dafür notwendigen Dienstleistungen und Produkte entwickeln. Diese mit einem kohärenten Team zum Markterfolg führen. Die dazu nötigen Finanzen bereit stellen.
Es geht somit um Kunden, Mitarbeitern und Geldgebern. Alles Menschen!
Diese Personen gilt es zu überzeugen. Sie für ein Ziel zu begeistern. Dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen können.
Es geht um Vertrauen. Vertrauen schaffen, Vertrauen erhalten.
In Zukunft werden Chefs gesucht sein, die sich mit den Freuden und Sorgen aller Beteiligten genau so auseinandersetzen können, wie mit den Funktionen der Firma und dem Gebaren der Börse. Wir brauchen Vorgesetzte die wissen, dass wir uns in Märkten bewegen. Dass wir uns mit der Konkurrenz auseinandersetzten müssen.

Das Unternehmen ist mit einem Tisch zu vergleichen der drei Beine hat: das Marktbein, das Personalbein und das Finanzbein. Die Tischplatte muss waagrecht stehen. Dies gelingt nur, wenn alle drei Beine gleich lang sind. Ist ein Bein länger, wird zum Beispiel der Börse ein überdimensioniertes Gewicht beigemessen, kippt die Tischplatte und der ganze Inhalt gerät ins rutschen.
Es braucht wieder Chefs vom alten Schrot und Korn. Leute die im Team Leistungen erbringen und so der Volkswirtschaft einen positiven Beitrag überlassen. Menschen die wissen, dass es ohne den Einsatz von Menschen nicht geht. Menschen die andere beurteilen können und die Mitarbeiter dort einsetzten, wo ihre Begabungen am besten zur Geltung kommen.
Heute gibt es durchaus diese Vorgesetzte. Nur ist ihr Tun weit weniger spektakulär. Sie wirken stetig und im Stillen. Kein Journal nimmt davon Notiz. Diese Chefs sind von ihrer Idee überzeugt und schaffen beharrlich und seriös den gesetzten Zielen entgegen.
Der wirkliche Unternehmenserfolg ist von Menschen geprägt die mit Geduld und Beharrlichkeit nachhaltig ans Werk gehen.

Unternehmensführung ist Menschenführung.

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Knigge version française

Qui se souvient encore de lui? Du baron Adolf von Knigge, ce noble d’Allemagne du nord, contemporain de Schiller, Goethe et Lessing? Conteur, philosophe, journaliste, pédagogue, compositeur et polémiste. La plupart de ses œuvres sont tombés dans l’oubli, à l’exception de son manuel de savoir-vivre „Au sujet des relations humaines“ („Über den Umgang mit Menschen“), qui est resté lié étroitement à son nom. Un livre qui traite des bonnes manières, de la politesse, la considération et le respect d’autrui. Parfois on souhaiterait que cet abécédaire du savoir-vivre soit relu à haute voix devant tout le monde.
Lorsque l’adulte doit rester debout dans le tramway parce que les élèves de seconde bloquent les places côté fenêtre par leurs cartables et se prélassent sur les sièges voisins.
Lorsqu’on est bousculé de droite et de gauche sur l’escalier en quittant le train.
Lorsqu’on voit une jeune femme jeter sa cigarette allumée devant l’entrée du supermarché, l’écraser au pied et disparaître dans le magasin.

Monsieur Knigge, où êtes-vous? Il ne reste que la fuite vers la voiture. Mais là-aussi on souhaiterait la présence d’un Knigge moderne. En particulier quand la voiture qui vous suit fonce à toute vitesse jusqu’aux derniers mètres ou n’actionne pas le clignotant en quittant le rond-point. Ou bloque tranquillement le passage dans le parking en attendant qu’une cliente finisse de transférer ses achats. Et forme ainsi un bouchon jusqu’à l’entrée. Il y aurait bien quatre places en amont, mais elles se trouvent plus loin de l’ascenseur. Il faudrait marcher un peu plus longtemps.
Un peu plus de considération, un peu moins d’égoïsme rendrait la cohabitation bien plus agréable.
Pourquoi ne pas tenir la porte de la poste ouverte si une autre personne s’approche?
Pourquoi ne pas laisser la priorité aux dames?
Pourquoi ne pas dire „merci“ lorsqu’on est servi?
Ce n’est pas un signe d’épanouissement personnel que de négliger les bonnes manières. Ce n’est pas non plus une restriction de la liberté personnelle si on laisse la priorité au passant.

La bienséance et les bonnes manières sont des signes d’amabilité et d’affirmation de la vie. Elles embellissent la journée et la rend rayonnante. Knigge est mort depuis plus de 200 ans. Manifestement il était obligé, déjà de ce temps-là, de rappeler à ses contemporains l’étiquette et le respect d’autrui. Les temps changent, mais le respect des bonnes manières a survécu à toutes les mutations. Dans le fond nous savons tous ce qui est de bon ton. Si nous l’appliquons, nous contribuons à l’embellissement du quotidien et créons une souveraineté naturelle.
En fait, les gens qui respectent les bonnes manières ont un avantage aussi bien en affaires que dans la vie privée.

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Knigge

Knigge

Wer kennt ihn noch? Adolf Freiherr von Knigge, diesen norddeutschen Edelmann und Zeitgenosse von Schiller, Goethe und Lessing? Er war Erzähler, Philosoph für die Welt, Journalist, Pädagoge Komponist und Polemiker. Das meiste seiner Werke ist vergessen, nur sein Benimm-Buch „Über den Umgang mit Menschen“, blieb in Erinnerung. Eng mit seinem Namen verknüpft. Ein Buch über Anstand, Höflichkeit, Rücksichtnahme und Respekt gegenüber den Mitmenschen. Bisweilen wünschte man sich, diese Fibel der guten Umgangsformen, würde der Menschheit wieder einmal vorgelesen.

Wenn man im Tram als Erwachsener stehen muss, weil Zweitklässler den Fensterplatz mit ihrer Schultasche belagern und sich selbst auf den Sitz daneben räkeln.

Wenn man auf der Treppe im Bahnhof von links und rechts angerempelt wird, während sich die S-Bahn entleert.

Wenn man zuschaut wie eine junge Frau eine brennende Zigarette vor dem Eingang des Supermarkts auf den Boden wirft, mit dem Fuss zermalmt und ins Geschäftsinnere verschwindet.

Herr Knigge, wo sind Sie? Da gibt es nur die Flucht ins Auto. Aber auch hier wünschte man sich ein moderner Knigge. Besonders wenn der nachfolgende Wagen mit hoher Geschwindigkeit auf ein paar Meter aufschliesst und beim Verlassen des Kreisels den Blinker nicht betätigt. Oder seelenruhig im Parkhaus den Weg versperrt. Er wartet, bis eine Kundin ihren Einkaufswagen umgeladen hat. Damit verursacht er einen Stau bis zur Einfahrt. Weitere hinten sind noch vier weitere Parkplätze frei. Aber diese sind halt weiter vom Lift entfernt. Man müsste etwas länger laufen.

Etwas mehr Rücksicht, etwas weniger Egoismus macht das Zusammenleben viel angenehmer.

Warum nicht die Eingangstüre zur Post offen halten, wenn eine weitere Person im Herannahen ist?

Warum nicht der Dame den Vortritt lassen?

Warum nicht „Danke schön“ sagen, wenn man bedient wird?

Es ist kein Zeichen von Selbstverwirklichung auf Umgangsformen zu verzichten. Es ist auch keine Einschränkung der persönlichen Freiheit, einem Passanten den Vortritt zu lassen.

Anstand und gute Manieren sind eine Geste von Freundlichkeit und Lebensbejahung. Sie machen den Tag schöner und strahlender. Knigge ist über 200 Jahre tot. Offensichtlich musste er schon damals seine Mitmenschen auf Etikette und Respekt hinweisen. Die Zeiten ändern sich zwar, aber was als gute Manieren gilt, hat jeden Wandel überdauert. Wir wissen eigentlich alle, was sich gehört. Wenn wir dieses Wissen anwenden, helfen wir mit den Alltag zu verschönern und schaffen natürliche Souveränität.

Denn, Menschen die moderne Umgangsformen beherrschen, sind beruflich und privat im Vorteil.

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Pappel

Vorgeschichte

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im Goldistenquartier in Gossau-ZH ein Flurweg welcher die Bertschikerstrasse mit dem Frohe Aussichtsweg verbindet,erstellt. Also im Gebiet zwischen Öli, Saum und Oberried. Heute heisst er Sunnengartenweg. Das heutige Einfamilienhausquartier nördlich der Grütstrasse war noch nicht überbaut. Dort standen zu der Zeit die Bauerngehöfte der Familien Homberger, Pflugshaupt, Zimmermann, Rosenberger und noch weitere. Vater Rosenberger pflanzte längs des Flurwegs eine regelrechte Pappelallee. Die Bäume gediehen prächtig. Sie ragten bis zu 35 Meter in den Himmel. Sie waren für die Gossauer Bevölkerung eine Baumparade, die das Dorf nach Norden abgrenzte. Eine richtige Abschlusskulisse. Zu der Zeit zählte Gossau-Dorf knapp 1200 Einwohner. Ein landwirtschaftliches Dorf, in welchem Fleisch- und Milchprodukte gezogen wurden.

Das Zürcher Oberland entwickelt sich.

In der Nachkriegszeit wird Gossau zu einem begehrten Wohnort. Ein starkes Bevölkerungswachstum setzt ein. Viele Neuzuzüger zieht es nach Gossau. Es entwickelt sich in den sechziger Jahren ein ausgesprochener Bauboom. Das Einfamilienhausquartier „in den Goldisten“ wächst mit ähnlicher Geschwindigkeit wie die Pappeln von Herrn Rosenberger. Diese Pappelallee muss als Folge der Bauerei, peu à peu der neuen Zeit weichen. Um 1973 stehen noch gerade 4 Bäume nordöstlich der Saumstrasse. In diese Zeit stürzt eine der Pappeln nach einem Sturm auf das Haus meines Nachbarn und richtet grossen Schaden an.

Da waren es nur noch drei.

Eine davon steht ungefähr in der Mitte meines Grundstücks und bedient mich jährlich mit einem enormen Blattfall. Eindrücklich wie viele Blätter diese hohe Säulenpappel in einem Jahr produziert. Ein bisschen Unbehagen herrschte immer in der Familie. Wussten wir doch nicht, ob uns auch einmal ein ähnliches Schicksal, der Sturz eines riesigen Baumes auf unsere Liegenschaft, bei einem immer wieder auftretenden Sturm, ereilen könnte. Es ist nie etwas geschehen. Im Gegenteil, es entspann sich eine eigentliche Liebe zu dem hünenhaften Gewächs jenseits der Grenze. Sein leises Rauschen gehörte zu unserem Garten. Wie ein Leuchtturm zeigte es an, wo wir wohnten. Es gehörte zum Gesamtbild der Liegenschaft. Inzwischen ist die Pappel in die Jahre gekommen. 70 Jahre hat sie wohl hinter sich. Es kam der Tag, an dem sie sterben musste.

Das Ende der Pappel war besiegelt.

Es war der 7. März 2014. Drei Profis von der Spezialfirma Volz rückten mit grossen Maschinen an und begannen systematisch den Baum von oben nach unten zu fällen.

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vorher                                 nachher                                        am Schluss

Bis der Baum wirklich gefällt war, brauchte es einiges an Arbeit. Die drei Holzfäller benötigen mit ihren Maschinen von 11 Uhr bis um drei, mit einer Stunde Mittagspause. Drei Stunden Arbeit und die Pappel war dem Erdboden gleich gemacht. Zuerst gingen die Maschinen in Stellung.

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Mit dem Kran, er kann schwere Lasten bis zu fünfzig Meter in die Höhe heben, wird sowohl Baumteil um Baumteil abgebaut, als auch der Holzfäller in einem Seemannsstuhl in die richtige Position gebracht.

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Das Baumstück wird mit einer massiven Kette gesichert. Der Holzfäller sichert sich selbst am Baum und beginnt den Stamm mit einer Motorsäge abzutrennen. Bis der Baumstumpf frei am Kranenhaken bambelt. Vorsichtig bringt ihn den Kranführer zurück zur Erde und schichtet Abschnitt zu Abschnitt.

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Damit ist die Arbeit der Equipe von Volz Baum AG aus Hinteregg abgeschlossen. Das war am Freitag. Am Dienstag darauf fährt wieder schweres Geschütz auf.

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Der riesengrosse Häcksler zerkleinert alles. Die ist Äste, das versteht man noch. Dass aber auch die, zum Teil metergrosse Stämme, zerkleinert werden können, ist bewundernswert. Zum Abtransport der Überreste aller drei Pappeln wurden zwei Fuhren mit dem grossen Anhänger am Traktor benötigt.

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Das gesamte Holz der Pappel vor meinem Garten war innerhalb von einer Dreiviertelstunde zerkleinert und verladen.

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Sic transit gloria! So vergeht der Ruhm einer ehemals schönen Pappelallee.

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Der Kunde

Der Kunde ist König!
Haben sie schon einmal eine Bedienungsanleitung gelesen und anschliessend den neu gekauften Apparat auch wirklich in Betrieb nehmen können?
Haben sie schon einmal eine Gratis-800er-Nummer eingestellt? Anschliessend eine halbe Beethovensymphonie abgehört, dann „wählen sie die Zwei, drücken sie die Raute….“ Und haben sie dann immer noch keine korrekte Antwort auf Ihr anliegen bekommen?

Haben sie schon einmal einen 24-Stunden Service erlebt, der gerade als sie ihn dringend bräuchten, nicht aktiv war?

Haben sie schon einmal probiert, einen von Zahlen übersäten Kassenzettel- der nach endlosem Einlesen von Strichkodes entstanden entstanden ist – zu analysieren?

Die Hersteller und Lieferanten scheinen den Wahlspruch der Französischen Revolution, „Les aristrocrats à la lanterne!“, sehr ernst zu nehmen. Weg mit dem Royalismus. Weg mit dem König. Demokratie für alle. Auch der Kunde soll das wissen. Zu spüren bekommt er es auf jeden Fall.

Kurze Denkpause.

Wenn das Unternehmen keine Kunden hätte, bekäme es auch keine Aufträge. Keine Aufträge heisst keinen Umsatz. Kein Umsatz bedeutet keine Rechnungen schreiben. Keine Rechnungen haben zur Folge, dass kein Geld in die Kasse fliesst.

Wer kein Geld hat kann keine Löhne bezahlen. Wer keine Löhne bezahlt hat kein Personal. Kein Personal heisst am Ende keine Stelle: Arbeitslosigkeit.

Eigentlich würde es sich lohnen, den Kunden gut zu bedienen. Nicht nur im Geschäft vor dem Kauf. Auch an der Kasse. Auch mit einer guten einfachen leserlichen verständlichen Bedienungsanleitung.

Tüchtige Unternehmen wissen das. Ihre Telefone werden rasch, freundlich und kompetent abgenommen. Tüchtige Unternehmen zeichnen sich dadurch aus, dass jeder Mitarbeiter ein freundlicher Betreuer des Kunden ist. Der Lehrling, der gerade den Hof wischt, gibt dem Kunden liebenswürdig einen Hinweis, wo er sein Auto parken kann. Der Speditionsarbeiter hilft später die gekaufte Ware ins Auto zu laden. Man spürt es im Geschäft eines tüchtigen Unternehmens. Alle wissen wie wichtig Kunde ist. Alle wollen ihn zuvorkommend bedienen. Obschon gute Unternehmer meistens auch gute Demokraten sind, wissen sie: Der Kunde muss behandelt werden wie ein König.

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