Préface
Comme les lecteurs de mes essais l‘ont sans doute constaté, une partie de ces textes sont parus également en version française. Les traductions ont toutes été rédigées par mon ami Hans Rhyn qui vit en France. En discutant récemment sur la traduction de l’essai „Christophe Colomb“, l’idée nous est venue qu’il pourrait également traiter un sujet en tant qu‘auteur invité. Voici donc le résultat. Son texte est présenté en premier ci-après, suivi de la traduction en allemand dont je me suis chargé cette fois-ci. Tous les deux, nous vous souhaitons une plaisante lecture.
Vigesimalsystem
[Text von Hans Rhyn, St. Siméon, F / Übersetzung Hans von Werra]
Als ich vor 50 Jahren nach Frankreich kam, hatte ich andere Sorgen als mich um die seltsamen Zahlensysteme bei der Verwendung von „sechzig-zehn“, „vier-zwanzig“ und „vier-zwanzig-zehn“ anstelle von siebzig, achtzig und neunzig zu kümmern. Kurz vorher hatte ich zwei Jahre in Vevey gelebt. Dort verwendete man die Zahlwörter siebzig, achtzig, neunzig ganz analog wie im Deutschen. In Frankreich war dies eine Fremdartigkeit unter anderen, die ich, ohne gross darüber zu sinnieren, akzeptierte. In letzter Zeit hingegen, lang genug in Frankreich lebend um die typisch französische Angewohnheit angenommen zu haben, über alles und jedes zu meckern. Als Folge davon fragte ich mich schon, wie eine so gut entwickelte, durch seine hochstehende, geistreiche kartesianische Wortspiele bekannte Nation, die solch grossen Wert auf die Korrektheit ihrer Sprache legt, ein absolut unlogisches Zahlensystem verwenden kann. Das System ist nicht nur unbequem, es produziert auch massenweise Fehler. Lassen Sie mich als Beispiel jenen Unglücklichen anführen, der in seiner Telefonnummer die besagten Zahlen sein eigen nennt. Wenn er die Zahl 85 [vier-zwanzig-fünf] mündlich ins Telefon diktiert, wird der Empfänger getreulich 4-20-5 aufschreiben. Mit etwas Glück ist sein Gegenüber klug genug daraus (4 x 20) + 5 = 85 abzuleiten. Wenn nicht, wäre eine falsche Telefonnummer die Folge bei erst noch eine Ziffer zuviel vorläge. Wäre es doch nicht viel einfacher fünfundachtzig zu sagen! Wen wunderts, dass damals, bei Nestlé in Vevey, es regelrecht verboten war, am Telefon die französische Diktion zu verwenden. Wir sind in der Schweiz. Hiergilt sechzig, siebzig, achtzig. Als an der Aktienbörse die Kurse noch „à la criée“ gehandelt wurden, verwendete man auch in Frankreich siebzig anstelle von „sechzig-zehn“.
Bevor wir uns daran machen, in der Geschichte der französischen Sprache die Gründe für diese Eigentümlichkeit zu erörtern, betrachten wir doch die aktuelle Lage in unserem Zeitalter. Es gibt somit zwei Basissysteme und eine Reihe von Mischungen daraus. Hier interessiert nur jene der französischen Sprache in Frankreich.
10 | 20 | 30 | 40 | 50 | 60 | 70 | 80 | 90 | |
dezimal | zehn | zwanzig | dreissig | vierzig | fünfzig | sechzig | siebzig | achtzig | neinzig |
vigesimal | zehn | zwanzig | zwanzig-zehn | zwei-zwanzig | zwei-zwanzig-zehn | drei-zwanzig | drei-zwanzig-zehn | vier-zwanzig | vier-zwanzig-zehn |
Mischung France | zehn | zwanzig | dreissig | vierzig | fünfzig | sechzig | sechzig-zehn | vier-zwanzig | vier-zwanzig-zehn |
Das Dezimalsystem zur Basis 10, findet man in den meisten Sprachen des europäischen Kontinents. Zweifellos abgeleitet von der Tatsache, dass wir zehn Finger an unseren Händen haben. Seit dem Beginn, als die Menschheit zu zählen und zu rechnen begann, ein ideales Rechenhilfsmittel. Das Vigesimalsystem zur Basis 20 hingegen findet man in keiner Sprache als Exklusivität alleine. Es ist immer mit dem Dezimalsystem kombiniert. In der Art findet man diese Besonderheit in baskische, keltische, albanische Sprachen, in Dänemark und natürlich in Frankreich. Wenn man die Finger und die Zehen zu Hilfe nimmt, um zu rechnen, wäre dies auch eine Erklärung für die Entstehung des Zwanzigersystems. Wahrscheinlicher ist aber folgende Erklärung: In frühen Zeiten verwendete man als Buchhaltung einen Holzstab, in dem man Kerben einschnitt. Jede Kerbe entsprach der Einheit zwanzig. Man zählte also in Päckchen von zwanzig, „ein zwanzig, zwei zwanzig, drei zwanzig….“. Bei der Zahl 70 erreicht die Widersinnigkeit ihren Höhepunkt. Dies ist nicht, wie es kosequent heissen sollte „drei-zwanzigzehn“. Nein man verwendet die höchstmögliche Absurdität, ein Gemisch von Vigesimal- und Dezimalsystem „sechzig-zehn“. Heute verwenden nur die Bewohner der französisch sprechende Schweiz und des wallonischen Belgien konsequent das Dezimalsystem In Frankreich und in Kanada wird ein Gemisch der beiden Systeme vigesimal Basis 20 und dezimal Basis 10 verwendet.
Was kann uns nun die Geschichte zu diesem Phänomen erklären? Ohne die Mayas und die Azteken zu bemühen (welche, wie man sagt, das Vigesimalsystem benutzten) ist man sich darüber einig, dass die Normannen, die dänischen Wikinger, das Vigesimalsystem nach Gallien eingeführt haben. Als die Römer die Macht übernahmen, wurde das Dezimalsystem eingeführt. Es ist ihnen nicht vollständig gelungen, das Vigesimalsystem zu verdrängen. Noch im Mittelalter findet man Formen wie „zwanzig-zehn“ (30), „zwei-zwanzig“ (40), „drei-zwanzig“ (60) etc. Ausnahmsweise ist die Entwicklung dieser Zahlenformen nicht von Paris ausgegangen. Es begann im Westen, in der Normandie, hat sich dann später in Paris etabliert, um darauf ganz Frankreich zu erfassen. Das ergibt auch eine Erklärungen dafür, warum die französischsprachigen Ländern weiter östlich, die Schweiz und Belgien, von dieser Schmach verschont geblieben sind.
Gegen Ende des Mittelalters (vielleicht unter italienischem Einfluss, dies ist aber nur eine Vermutung) setzt sich das Dezimalsystem siegreich durch. Ein relativer Sieg, denn jenseits der Zahl 69 hielten sich die vigesimalen Formen nachhaltig. Warum hat sich der Gebrauch, der so gut unterwegs war, plötzlich angehalten? Keine der Erklärungen sind überzeugend. Vielleicht wollte man seine Fähigkeiten im Kopfrechnen aufzeigen: 70 = 60 + 10; 80 = 4 x 20; 90 = (4 x 20) + 10. Oder, fand man es im Gegenteil zu schwierig die grossen Zahlen zwischen 70 bis 90 im Kopf zu behalten? Bleibt da nur noch der Zufall und die Willkürlichkeit, mit welchen sich die Sprachgelehrten zufriedengeben mussten?
Wie dem auch sei, im 17. Jahrhundert haben sich die Verfasser der Wörterbücher endgültig entschieden die Zahlen „sechzig-zehn“, „vier-zwanzig“, „vier-zwanzig-zehn“ zu belassen, statt sie der Basis 10 zuzuschreiben. Jedenfalls erscheinen die Formen siebzig, achtzig, neunzig in allen Wörterbücher der Académie Française neben den vigesimalen Termen. Bleibt noch zu sagen, dass dieses Werk nicht den Ehrgeiz hat, die Sprache zu beeinflussen; es dient ausschliesslich den Gebrauch „festzustellen, zusammenzutragen und zu standardisieren“. In den offiziellen Weisungen von 1945 des Grundschulunterrichts, endlich, wird dem Lehrpersonal empfohlen die Ausdrücke siebzig, achtzig, neunzig anstelle von „sechzig-zehn, siebzig-zehn, vier-zwanzig und vier-zwanzig-zehn zu verwenden. Dies zur Vereinfachung des Rechenunterrichts. Heureka, endlich haben sie es verstanden! Leider wurde auch noch angefügt „bei den weiterführenden Lektionen des Rechtschreibeunterrichts, seien diese theoretischen Formen auch den Begriffen unseres gesprochenen Französisch anzupassen.“ Zur Verdeutlichung: Trotzdem verbietet nichts die Verwendung der dezimalen Formen. Die landläufige Verwendung in Frankreich betrachtet diese als regional oder veraltet. A propos veraltet, ist es doch die Basis 20, jene der Numeralia des Französisch von Frankreich, welche die älteste ist (zur Erinnerung: die dänischen Wikinger brachten sie nach Gallien).Mit meinen Argumenten gegen ihr unlogisches System, fühle ich mich wie, wenn ich mich auf einem anderen Planeten befinden würde. Die Kraft der Gewohnheiten ist wesentlich mächtiger als jener des Pragmatismus. Nach all diesen, meinen Argumenten, höre ich sie sagen: Besteht die Schönheit der Sprache immer im Rationalismus? Meinetwegen, lieber Freund, das ist ein Punkt für Dich.
Meine lieben Freunde der französischen Sprache ausserhalb Frankreichs, in der Schweiz, in Belgien, nehmen sie das Gespött nicht war, welches Sie auslösen könnten, wenn Sie in Frankreich fünfundsiebzig, sechsundachtzig oder siebenundneunzig sagen – denn SIE sind logisch und rational. Vor allem lassen Sie sich nicht dazu verführen, die Franzosen nachzuahmen. Behalten Sie Ihren natürlichen, kartesianischen und sympathischen Sprachschatz bei. Sprechen Sie so, wie Ihnen der Schnabel gewachsen ist!
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